Foto: Marco Schilling
Weinheim

Nach DBS-Schülerstreik: Regierungspräsidium bestätigt Gerücht um Lehrer

An der Dietrich-Bonhoeffer-Schule protestierten am Mittwoch rund 80 Jugendliche. Die lautstarke Kritik richtete sich gegen die neue Schulleiterin. Diese wollte die Demonstration verhindern und griff zu einem rhetorischen Kniff.

An der Dietrich-Bonhoeffer-Schule herrscht am Mittwoch: Ausnahmezustand. Rund 80 Jugendliche stehen mit Bannern und Plakaten vor dem Schulsekretariat. Sie demonstrieren für ihren Lieblingslehrer, dem aktuell eine Zwangsversetzung droht. Das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) erklärte auf Anfrage der WN, dass die Versetzung einer Lehrkraft aus dienstlichen Gründen geprüft werde. Die Schuld hierfür sehen die Schüler bei ihrer Schulleiterin, die erst vor einem Jahr Chefin der DBS wurde. So erzählen Schüler und Eltern, dass der Lehrer seine Chefin mit der gesammelten Kritik aus dem Kollegium konfrontiert habe. Unmittelbar nach der Demonstration reisen Vertreter des Regierungspräsidiums an. Kurz darauf kommt auch der Oberbürgermeister vor Ort.

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„Streik ist nicht angebracht“

„Mehr Transparenz.“ Das ist der Satz, den die Schüler skandieren. Auf ihren Plakaten und Transparenten steht der Name des Pädagogen geschrieben. Eigentlich wollen sich noch viel mehr der Demonstration anschließen. Aber gerade die jüngeren Schüler werden in ihre Klassenzimmer zurückgeschickt, wo sie bleiben müssen. Am liebsten wollte die Schulleiterin den ganzen Protest abwenden. In einer Rundmail schreibt die 54-Jährige am Vorabend: „Ein Streik ist an der Stelle nicht angebracht, da die Grundlage dafür fehlt. Eure Botschaft, Solidarität (...) zu zeigen, ist bei mir angekommen.“ Die Presse ist im Schulgebäude und auf dem Pausenhof nicht erwünscht. Die Leiterin macht ihr Hausrecht geltend.

Vor dem Gelände ist ein Gespräch mit den Jugendlichen möglich: „Er ist wichtig für die Schule, eine Vertrauensperson, zu der jeder Schüler mit seinen Problemen gehen kann“, sagt Lydia Weinreich von der Schülervertretung SMV über den Lehrer. Ziemlich schnell wird im Austausch mit den Jugendlichen aber auch klar: Die Probleme an der DBS gehen weit über die Personalie des Pädagogen hinaus. Die Schüler sprechen von einer Überregulierung des Schullebens, fehlendem Vertrauen und mangelnder Gesprächsbereitschaft seit Amtsantritt der DBS-Chefin im vergangenen Schuljahr. Auch von nicht nachvollziehbarem Verhalten.

Es hagelt Kritik

Nach Absprache mit der SMV nennt eine 17-Jährige im Gespräch mit der Redaktion eine ganze Palette an Kritikpunkten. So soll es eine Entrüstungswelle nach einer Durchsage einer Mitschülerin gegeben haben, die eine Rede zum Nahost-Konflikt gehalten hatte. Diese war zuvor offenbar nicht von der Schulleiterin geprüft worden. Verantwortung habe sie aber nicht übernommen: Die Jugendliche musste sich für die Durchsage entschuldigen. „Dieses Mädchen war vergangenes Jahr selbst in Israel“, erklärt eine Elternvertreterin, die ihres Kindes wegen nicht namentlich genannt werden will. Die Schülerin den Schlamassel alleine ausbaden zu lassen, bezeichnet die Mutter als schwach.

Andrea Volz leitete die DBS interimsmäßig, heute ist sie stellvertretende Schulleiterin. Foto: Philipp Reimer
Andrea Volz leitete die DBS interimsmäßig, heute ist sie stellvertretende Schulleiterin.

Nach Angaben von Schülern und Eltern sei es immer wieder zu Fällen gekommen, in denen die Leiterin neue Schulregeln einführte, die schwer nachvollziehbar waren. „Sie begründete die Regeln mit der Schulordnung, hatte sie aber vorher nicht richtig durchgelesen“, so die 17-Jährige. Demnach habe die DBS-Leiterin etwa durchgesetzt, dass Schüler in den Pausen das Gebäude verlassen müssen. Weitere Beispiele seien die Pflicht, die Eingangstüren der Schultoiletten offen zu halten und ein generelles Handyverbot. Auf Anfrage der WN wollte sich die Schulleiterin nicht zu den Kritikpunkten äußern.

Alle Lehrer haben Verständnis

Die Schüler haben bei ihrem Streik offenbar den Beistand der Lehrer. So erzählt eine Jugendliche, dass ihre Lehrerin am Dienstag im Unterricht eine E-Mail einer Kollegin an das Kollegium vorgelesen habe. Darin stand: „Wir können ja nicht bei dem Streik mitmachen, aber wir sind im Herzen dabei.“ Demnach könnten sie die Sache „unterstützen, indem sie Verständnis zeigen, wenn wir in der ersten Stunde nicht anwesend sind“. Und die 17-jährige Mitschülerin: „Ich war kaum im Unterricht, weil ich den ganzen Tag mit dem Thema beschäftigt war und Gespräche führen musste. Wirklich alle meine Lehrer hatten dafür Verständnis.“

Viele freuen sich aber hinter vorgehaltener Hand, dass der Chefin endlich einmal jemand öffentlich die Meinung sagt - Kommentar in weiterem Artikel

Tim Hallbauer, Co-Elternbeiratsvorsitzender des Gymnasiums, erzählt, dass Teile der Elternschaft am Dienstagabend ihre „Unzufriedenheit in Bezug auf fehlende Kommunikation gegenüber der Schulleitung sehr klar zum Ausdruck gebracht“ haben. Aus Sicht des Elternbeirats sei jetzt eine schnelle Aufklärung geboten, mit einer bestmöglichen Transparenz für alle Beteiligten, um den Schulfrieden wiederherzustellen. „Wichtig ist jetzt, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden und die Emotionalität aus dem Thema zu nehmen.“

Versetzung wird geprüft

Wie RP-Sprecherin Irene Feilhauer erklärt, will das Regierungspräsidium als zuständige Schulaufsichtsbehörde an einer konstruktiven Lösung der momentan angespannten Situation arbeiten. „Im Zuge dessen wird auch die Versetzung einer Lehrkraft aus dienstlichen Gründen geprüft. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“ Das RP bittet um Verständnis, dass es zu Personalangelegenheiten keine Stellung nehmen kann. Feilhauer betont jedoch: „Eine Versetzung aus dienstlichen Gründen stellt keine disziplinarische Maßnahme oder eine Bestrafung dar.“

Foto: Sascha Lotz

Noch am selben Tag hat Oberbürgermeister Manuel Just sich in der Sache eingeschaltet. Gemeinsam mit Bildungsamtsleiterin Carmen Harmand hat er am Mittwoch die Schule besucht, um sich vor Ort ein Bild zu machen, erklärt Rathaussprecher Roland Kern: „Dabei konnten sie ein Gespräch mit den Vertretern des Regierungspräsidiums führen. Zuvor war der OB auch schon mit Vertretern des Lehrerkollegiums in Kontakt.“

In den nächsten Tagen stünden noch Gespräche mit der Elternvertretung an. OB Just sicherte zu: „Die Stadt wird jede Bemühung unterstützen, die zu einer Wiederherstellung des Schulfriedens führt und dazu beiträgt, Beeinträchtigungen des Schulbetriebs oder eine Rufschädigung der Schule zu vermeiden.“

Erstmeldung

"Mehr Transparenz", skandierten die rund 80 Schüler vor dem Sekretariat ihrer Schulleitung. Auf ihren Transparenten stehen Sprüche, die das Bleiben eines beliebten Pädagogen der Dietrich-Bonhoeffer-Schule fordern. Selbst das Gesicht des Lehrers wird von manchen in die Höhe gehalten.

Die Jugendlichen wollen Antworten von ihrer Schulleiterin. Vor allem wollen sie erfahren, was mit dem Lehrer geschehen soll. Dem Pädagogen, so berichten unterschiedliche Schulakteure, droht angeblich eine Zwangsversetzung.

Die Schulleiterin wollte den Streik abwenden. In einer Rundmail schreibt sie: "Ein Streik ist an der Stelle nicht angebracht, da die Grundlage dafür fehlt. Eure Botschaft, Solidarität mit ... zu zeigen, ist bei mir angekommen."

Weiter habe sie nach einem Gespräch mit dem Regierungspräsidium erfahren: Es sei nicht korrekt, dass besagte Lehrkraft "nach den Herbstferien die Schule verlassen muss." Die Schüler haben jedoch die Befürchtung, dass diese Angabe lediglich ein rhetorischer Kniff ist. Nicht nach den Herbstferien sei nicht gleichzusetzen mit: überhaupt nicht.

Dieses Misstrauen zeigt die Gräben auf, die sich in der DBS auftun. Von Schülerseite werden eine Überregulation des Schullebens, fehlende Gesprächsbereitschaft und nicht nachzuvollziehende Maßnahmen durch die Schulleitung kritisiert.