Wie Bahnfahrer in Weinheim ausgebremst werden
Seit Freitagabend um 22 Uhr fahren in Weinheim keine Züge mehr. Auf den elektronischen Anzeigetafeln fehlt jedoch ein Hinweis auf die Sperrung der Main-Neckar-Bahn. Das sorgt bei einigen Pendlern für Verwirrung. Wir haben uns am Morgen des ersten Werktages am Bahnhof umgehört.
Morgens, halb acht am Weinheimer Bahnhof. Wo sonst hektische Betriebsamkeit herrscht, ist am Montag Ruhe eingekehrt. Nur ein paar vereinzelte Pendler stehen verloren an den Bahnsteigen, blicken verwirrt auf die elektronischen Anzeigetafeln, auf denen heute keine Hinweise auf ein- und ausfahrende Züge flimmern. Stattdessen nur der kurze Satz: „Bitte Aushangfahrplan beachten.“ Eine Mitteilung, dass alle Züge ausfallen? Fehlanzeige!
Bereits zwei Tage vor der Sperrung, als den Bahnreisenden noch der letzte GDL-Streik in den Knochen saß, haben wir ein erstes Stimmungsbild am Weinheimer Hauptbahnhof eingefangen:
Bauarbeiten auf der Main-Neckar-Bahn
Seit Freitagabend um 22 Uhr fahren in Weinheim keine Züge mehr. Grund sind Bauarbeiten auf der Strecke der Main-Neckar-Bahn (Mannheim/Heidelberg-Weinheim–Darmstadt–Frankfurt). Die soll fit gemacht werden als Umleitungsstrecke für die Riedbahn, die dann im zweiten Halbjahr gesperrt wird. Noch bis zum 25. Februar schickt sich die Deutsche Bahn an, Schienen, Weichen und Oberleitungen sowie einen Bahndamm zu erneuern.
Bis zum 26. Februar gesperrt
Dass die Bahntrasse bis zum 26. Februar um 5 Uhr zwischen Mannheim/Heidelberg und Darmstadt komplett gesperrt wird, ist von langer Hand geplant. Für einige kommt die Nachricht dennoch überraschend. Wie für Daniel aus Viernheim, der zur Karl-Kübel-Schule nach Bensheim will. Der 17-Jährige checkt kurz vor acht verwirrt die App der Deutschen Bahn, als er an Bahnsteig 2 feststellt, dass seine Regionalbahn nach Bensheim nicht fährt. Dort findet er den Hinweis auf den Schienenersatzverkehr. Er könnte also den Bus um 8.08 Uhr nehmen. Doch zunächst versucht es der junge Mann bei einem Schulfreund. „Klappt leider nicht“, zuckt er mit den Schultern, „der ist schon losgefahren.“
Vielleicht doch lieber Homeoffice
Am Bahnsteig 2 sitzt zur gleichen Zeit Durga (42), die nach Darmstadt zur Arbeit unterwegs ist, und wartet. Auch sie ist überrascht von der Sperrung der Strecke. Verwundert blickt sie auf die Anzeigetafel. „Da steht gar nicht, dass die Züge ausfallen“, ärgert sie sich. Sie sucht Hilfe auf der DB-App und wird auf den Bus verwiesen, der am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) direkt vor dem Hauptbahnhof abfährt. Begeistert ist sie nicht. 1 Stunde 19 Minuten dauert die Fahrt nach Darmstadt statt der üblichen 30 Minuten mit dem Zug. „Vielleicht mache ich da lieber Homeoffice“, sagt Durga.
Mehr Zeit einplanen
Jürgen Mather ist dagegen vorbereitet auf die Sperrung. Normalerweise nimmt er den Zug um 7.03 Uhr aus Laudenbach, um nach Weinheim zu fahren. Fünf Minuten später ist er dann am Bahnhof in Weinheim. Jetzt ist 30 Minuten Busfahren angesagt. Für ihn kein großes Problem. „Ich wohne direkt an der Bushaltestelle“, erklärt er. Nur, dass er sein Dreirad mit Elektromotor nicht in den Bus mitnehmen kann, stört den 64-Jährigen. Er hat mit Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen und ist deshalb eigentlich auf das Hilfsmittel angewiesen. Mather: „Jetzt muss es halt der Gehstock tun.“
Auch die Weschnitztalbahn betroffen
An Gleis 1, wo sonst die Weschnitztalbahn abfährt, stutzt Jona Landvogd beim Blick auf die Anzeigetafel. Zumindest hier läuft ein Text, der die Fahrgäste informiert: „Bauarbeiten vom 3.2. bis 25.2. zwischen Weinheim und Fürth. Ersatzverkehr ist eingerichtet.“ Auch der 23-Jährige checkt die App und entscheidet sich für den Bus nach Birkenau. Der fährt in zehn Minuten. Der junge Mann ist entspannt. Auch wenn er zugibt: „Diese Sperrungen und Ausfälle, die sind schon nervig.“
Defekter Bildschirm
Zumal die Fahrgäste am Weinheimer Bahnhof nicht auf den ersten Blick erkennen können, dass keine Züge fahren. Im Eingangsbereich der Bahnhofshalle weisen zwar zwei Schilder auf die Bauarbeiten und den Ersatzverkehr hin, auf dem Bildschirm für die An- und Abfahrtszeiten sind jedoch nur unleserliche Schriftzeichen zu erkennen. Die Nachfrage im Reisezentrum, das allerdings erst um 8 Uhr öffnet, gibt Aufschluss: „Es fehlt ein Ersatzteil für die Reparatur des Bildschirmes“, sagt eine Mitarbeiterin. Das ist schlecht – für die Bahnreisenden und für den Ruf der Deutschen Bahn.
Umsatzeinbußen im Umfeld
Robert Seebacher, Filialleiter der Bahnhofsbuchhandlung Schmitt und Hahn, hat um diese Uhrzeit normalerweise alle Hände voll zu tun. Er ist sich sicher: „Durch die Sperrung fällt uns viel Umsatz weg.“ Und der Bahnstreik liegt ohnehin erst kurz zurück. Außerdem ärgert er sich, dass die Bahn es bisher versäumt hat, Schilder aufzustellen, wo die Busse abfahren. Der Busbahnhof ist zwar in direkter Nachbarschaft, „aber wer von außerhalb kommt, weiß das nicht“.
Schlecht fürs Geschäft ist die dreiwöchige Sperrung auch für die Bäckerei Riegler im Bahnhof. Ein Mitarbeiter erklärt: „Darüber sind wir natürlich nicht glücklich.“ Damit arrangieren müssen sich die Angestellten aber wohl oder übel. Die Bestellungen in der Zentral-Bäckerei werden wohl in den nächsten Wochen kleiner ausfallen.
Profitieren wenigstens die Taxifahrer? „Ja, wir fahren jetzt schon vermehrt Gäste, die von der Sperrung überrascht werden“, sagt Robert Schmitt. Besonders am Morgen und in Richtung Mannheim. Er fährt für Taxi Andy. Sein Chef sei im Vorfeld von der Deutschen Bahn informiert worden. Immerhin.