Weinheim

Hof Rhiannon erwacht mit „Herz und Seele“ zu neuem Leben

Nach einem Großbrand lag das Leben von Simone Boldt in Schutt und Asche, jetzt startet sie im Weinheimer Ortsteil Ritschweier neu durch – mit einem kleinen Laden und ganz viel Mut.

Simone Boldt in ihrem kleinen Laden, der am Mittwoch eröffnet wird. Was hier angeboten wird, wärmt Herz und Seele. Foto: Iris Kleefoot
Simone Boldt in ihrem kleinen Laden, der am Mittwoch eröffnet wird. Was hier angeboten wird, wärmt Herz und Seele.

Seit dem 18. August 2022 ist für Simone Boldt nichts mehr, wie es war. Vom einen auf den anderen Tag lag ihr Leben in Schutt und Asche – buchstäblich. Die Flammen fraßen in jener Nacht fast alles auf, was ihr lieb und teuer war – das Haus im Weinheimer Ortsteil Ritschweier mit all seinen Möbeln, Erinnerungsstücke, Familienbilder und Dokumente. Von Ruß geschwärzt das Wenige, das vom Feuer verschont wurde. Übrig blieben das nackte Leben und nach vielen traurigen Monaten der Aufarbeitung die Gewissheit: Mit Mut, Entschlossenheit, Stärke und Durchhaltevermögen ist ein Neustart möglich. „Wie Phönix aus der Asche“, sagt Simone Boldt voller Vertrauen in eine besser Zukunft. Und die beginnt jetzt mit einem neuen Laden unter dem Namen „Herz und Seele“.

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Hier stand das Wohnhaus der Boldts. Die Brandschäden sind noch deutlich an der Außenwand des Nebengebäudes zu erkennen. An den noch bestehenden Gründerhof in Ritschweier soll im Herbst wieder angebaut werden. Foto: Iris Kleefoot
Hier stand das Wohnhaus der Boldts. Die Brandschäden sind noch deutlich an der Außenwand des Nebengebäudes zu erkennen. An den noch bestehenden Gründerhof in Ritschweier soll im Herbst wieder angebaut werden.

Die züngelnden Flammen sind vielen Menschen im Weinheimer Odenwald-Ortsteil Ritschweier noch im Gedächtnis. Der Hof Rhiannon in der Hohensachsener Straße brannte in jener Nacht lichterloh. Simone Boldt erinnert sich, als wäre es gestern gewesen – an Kakadu Merlin, der mit ihr zusammen auf dem Sofa saß, als sie den Brandgeruch wahrnahm, „als hätte jemand in der Nachbarschaft gegrillt“. Dann der Blick aus dem Fenster: „Da stiegen schon die Flammen aus unserem Wohngebäude direkt nebenan.“ Betroffen war vor allem das Gebäude in direkte Nachbarschaft, angebaut an den Gründerhof, in dem vor Jahrzehnten das Gasthaus „Zum Ritschweierer Tal“ war. Doch auch der ältere Gebäudeteil wurde enorm in Mitleidenschaft gezogen.

Am Abend des 18. August 2022 brannte der Hof Rhiannon in Ritschweier lichterloh. Foto: Freiwillige Feuerwehr Weinheim
Am Abend des 18. August 2022 brannte der Hof Rhiannon in Ritschweier lichterloh.

Vor den Scherben der Existenz

Barfüßig flüchtete Simone Boldt in jener Nacht durch die Hintertür in den Garten, den weißen Vogel fest im Griff. Bei Nachbarn fand sie Schutz. Der völlig verängstigte Merlin kratzte ihr die Finger blutig. Zwei Wellensittiche und eine Katze hatten weniger Glück. „Wir fanden sie später – tot“, berichtet Simone Boldt. Retten konnte sich dagegen ihr Mann, von dem sie getrennt, aber im gemeinsamen Haus lebt. Der Sohn, heute 20 Jahre alt, war an diesem Abend bei Freunden. „Gottseidank“, sagt die 58-Jährige, die sich nicht auszumalen wagt, was geschehen wäre, wenn das Feuer später ausgebrochen wäre und alle schon geschlafen hätten. So stand die Familie nach einem nächtlichen Großeinsatz von Feuerwehr und Rettungskräften am nächsten Morgen zwar vor den Scherben ihrer Existenz, aber sie hatte überlebt.

Eine Welle der Hilfsbereitschaft schwappte daraufhin durch Ritschweier bis nach Weinheim. Im Ort fand die Familie eine Bleibe in einem unvermieteten Haus. Durch ein Benefizkonzert und Sammlungen wurden die Boldts kurzfristige finanzielle und materielle Unterstützung zuteil. Simone Boldt ist der Gemeinschaft zutiefst dafür dankbar.

Technischer Defekt im Carport als Ursache des Brandes

Die Versicherung ließ sich mehr Zeit. Erst Wochen später wurde die Brandursache festgestellt: ein technischer Defekt im Carport. „Wie das genau passiert ist, konnte nicht geklärt werden“, sagt Simone Boldt.

Dachziegel des abgebrannten Hauses werden zu Kunstwerken. „Phönix“-Malerei nennt Simone Boldt das, was aus der Asche erwachsen ist. Foto: Iris Kleefoot
Dachziegel des abgebrannten Hauses werden zu Kunstwerken. „Phönix“-Malerei nennt Simone Boldt das, was aus der Asche erwachsen ist.

Für sie ist mit dem Feuer auch der Hof Rhiannon erloschen, ihre Existenzgrundlage. 2008 erfüllte sich die frühere Erzieherin den Traum vom Hofgut mit Café und Ladengeschäft in Ritschweier. Der Name Rhiannon geht auf eine Sagengestalt aus der keltischen Mythologie zurück. Schon 1996 hatte sich Simone Boldt in der Weinheimer Weststadt mit der „Wundertüte“ selbstständig gemacht – zunächst in der Pappelallee, später im Birkenweg. Ihre Leidenschaft sind von jeher Heilsteine, aber auch alles, „was zauberhaft, sinnvoll und bewusstheitlich ist“, wie es die Geschäftsfrau selbst ausdrückt. Mit dem Begriff Esoterik kann sie wenig anfangen. „Spirituell trifft es eher“, sagt sie.

Ganz anknüpfen will und kann Simone Boldt nicht an ihr früheres Angebot, den Neustart aber wagt sie in kleinerer Form. Nach umfangreicher Renovierung ist in dieser Woche ein Lädchen in das frühere Hofgebäude eingezogen. Das Nebengebäude war nicht mehr zu retten und ist längst abgerissen. Dort soll ab Herbst ein neues Heim gebaut werden.

Wer an die heilende Wirkung von Steinen glaubt, ist hier richtig. Foto: Iris Kleefoot
Wer an die heilende Wirkung von Steinen glaubt, ist hier richtig.

Ruhe und Entspannung finden

Besucher werden im „Herz und Seele“ lautstark von Kakadu Merlin begrüßt, es duftet nach Räucherstäbchen, sanfte Musik erklingt, weiße Orchideen blühen auf der Fensterbank. Elfen aus Märchenwolle baumeln an zarten Fäden von der Decke, handgemalte Bilder schmücken die Wände. „Wer ausgebrannt ist, findet hier Ruhe, Entspannung und etwas Schönes für die Seele“, verspricht die Inhaberin. Und das nicht nur im liebevoll zusammengestellten Angebot aus Büchern zur Lebenshilfe, Räucherstäbchen und Kerzen, Seidenschals und Kristall-Raumschmuck. Im hinteren Bereich des Erdgeschosses befinden sich die Räume für Beratung und Kurse. Hier gibt Simone Boldt Hilfestellung in Lebensfragen. Eine therapeutische Ausbildung hat sie zwar nicht, aber „28 Jahre Erfahrung“ im Umgang mit Menschen, die „etwas auf dem Herzen“ haben.

In diesen Räumen finden die Kurse statt. Foto: Iris Kleefoot
In diesen Räumen finden die Kurse statt.

Eröffnungsfeier

An einen Kaffeebetrieb wie früher ist in Zukunft nicht gedacht, allerdings gibt es in der Eröffnungswoche am Samstag, 6. Juli, von 13 bis 18 Uhr Getränke und Kuchen im Hof. Der Laden selbst ist am Mittwoch, 3. Juli, und Donnerstag, 4. Juli, von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Weitere Infos gibt es unter https://herz-und-seele444.de