Sagenhaft im Überwald: Das Wachsfigurenkabinett von Horst Oberholz

Der Aschbacher Rentner stellt aus Kerzenwachsresten originelle Wesen her. Sein Hobby begeistert auch andere. Und ihn hält es fit. Wir haben ihn vor Ort besucht.

Der Künstler am Küchentisch. Mit ruhiger Hand schnitzt Oberholz die einzelnen Gesichtspartien in das weiche Wachs. Sein Hobby erfordert volle Konzentration. Foto: Fritz Kopetzky
Der Künstler am Küchentisch. Mit ruhiger Hand schnitzt Oberholz die einzelnen Gesichtspartien in das weiche Wachs. Sein Hobby erfordert volle Konzentration.

Seine Kunstwerke aus Kerzenwachs hat Horst Oberholz im Wohnzimmer aufgestellt. Sie stehen auf dem Tisch und daneben auf der Kommode, dicht an dicht. Und sie sehen aus wie kleine Waldgeister oder Trolle aus einer Odenwälder Sage, die hier ihre Heimat gefunden haben.

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Normalerweise, sagt er, sind sie im ganzen Haus verteilt. Und inzwischen sind es etwa 150. Eines ist kürzlich nach England ausgewandert: „Das grüne Männchen habe ich verschenkt. Aber die anderen bleiben hier.“ Denn verkaufen will Oberholz seine Schöpfungen nicht. Höchstens mal ausstellen, das könnte er sich gut vorstellen.

Hobby hat sich rumgesprochen

Seinem Hobby geht der Aschbacher am Küchentisch nach. Auf der Eckbank liegen seine Werkzeuge griffbereit: die Schnitzmesser für die filigrane Arbeit, daneben der Föhn, um das Wachs zu erwärmen, damit er die Masse genau nach seinen Vorstellungen formen kann. Die Kerzenstumpen selbst bewahrt der 87-Jährige in einer Kiste auf. Um Nachschub muss er sich keine Sorgen machen: „Das hat sich im Ort rumgesprochen. Gerade nach Weihnachten bringen viele ihre Kerzenreste vorbei.“

Ein Tisch voller Odenwälder Originalanfertigungen mit vielen Details, die man erst bei genauerem Hinsehen entdeckt. Foto: Fritz Kopetzky
Ein Tisch voller Odenwälder Originalanfertigungen mit vielen Details, die man erst bei genauerem Hinsehen entdeckt.

Dass Oberholz seiner Kreativität gern freien Lauf lässt, tritt beim näheren Betrachten deutlich hervor. Es ist ein einzigartiges Wachsfigurenkabinett, das sich der ehemalige Metzger mit Fingerspitzengefühl aufgebaut hat. „Rot ist der Grundton. Das liegt daran, dass Weihnachtskerzen traditionell rot sind“, erklärt er.

Die Farbe ist das eine, doch die Formen, Tropfschichten und vor allem das, was Oberholz darin einbaut, machen die eigentliche Faszination aus. Um Augen, Mund oder einen Bart zu gestalten, verwendet er Naturmaterialien wie Wacholderbeeren, Pfirsichkerne, leere Schneckenhäuser, Walnussschalen, aber auch Ohrenstäbchen. Sogar die vertrocknete Wurzel eines Bonsaibaums dient als Haarpracht. Mit Fantasie gelingt es ihm, jeder seiner Schöpfungen etwas Unverwechselbares zu verleihen.

Der Überwälder Wachsbildhauer blickt stolz auf sein Gesamtwerk und nickt kurz. Dann schmunzelt er: „Nur die Zähne machen mir zu schaffen. Einzelne sind kein Problem, aber bei ganzen Zahnreihen werde ich schon mal ungehalten.“ Die Gebisse fertigt er deshalb aus cremig weißem Wachs immer vorher an und setzt sie dann später ein.

Wurzeln haben es ihm angetan

Als sich Oberholz die Frage stellte, was ihn als Hobby begeistern könnte, entschied er sich zunächst für die Wurzelschnitzerei – in den Siebzigern war das. Im Hausflur hängen noch zwei große Exemplare dieser urigen Köpfe. Auch die Spazierstöcke, die er täglich benutzt, sind Eigenanfertigungen aus dieser Zeit. Beim Schnitzen allein blieb es aber nicht. Denn danach – von 1994 bis 2006 – war die Chinchillazucht seine Leidenschaft, mit der er sowohl nationale als auch internationale Titel und Pokale nach Hause brachte. Noch heute erzählt er begeistert über diese Zeit: „Ich war Bundessieger und Dauergast auf vielen Weltausstellungen“.

In den Augen stecken Wacholderbeeren. Und das Gebiss ist makellos, obwohl gerade die Zähne eine knifflige Handarbeit sind. Das Ergebnis lässt sich jedenfalls sehen. Foto: Fritz Kopetzky
In den Augen stecken Wacholderbeeren. Und das Gebiss ist makellos, obwohl gerade die Zähne eine knifflige Handarbeit sind. Das Ergebnis lässt sich jedenfalls sehen.

Der Erfolg ist das Ergebnis jahrelangen Züchtens nach den Mendel’schen Vererbungsregeln und viel Geduld. Dadurch erhielten seine Tiere ein „fantastisches graublaues Fell“ und einen schlanken Körperbau. „Wenn ich etwas mache, dann richtig“, fügt er hinzu.

Erstes Exemplar hat Ehrenplatz

Auf die Idee, Figuren aus Kerzenwachs zu modellieren, kam er erst, nachdem seine Frau vor zwölf Jahren verstarb. „Ich habe jeden Tag zweimal eine Kerze für sie angezündet.“ Und dabei ließ er immer wieder flüssiges Wachs heruntertropfen. Was er sah, gefiel ihm und es hat ihn nicht mehr losgelassen. Sein erstes Exemplar hat noch heute einen Ehrenplatz in seinem Haus in Aschbach. Während er erzählt, spürt man, dass das Faszinierende für ihn nicht nur der Schaffensprozess an sich ist, sondern tiefer geht. Die Arbeit fordert seine ganze Aufmerksamkeit.

„Es hält mich geistig fit“, schwärmt er. Wenn er flüssiges Kerzenwachs träufelt und dann bearbeitet, sitzt jeder Handgriff. Oberholz demonstriert die Technik, dabei bewegt er seine Finger erstaunlich geschmeidig durch die Luft. Sein Hobby, sagt er beim Abschied, bereite ihm Freude, es erfülle ihn. Und das Staunen seiner Familie, die stolz auf die vielen kleinen Geschöpfe blickt, motiviere ihn weiterzumachen – „solange es geht“. An Ideen mangelt es ihm nicht. Und über eine Ausstellung seiner sagenhaften Gestalten denkt er nach. Es wäre sein nächstes Projekt.