175 JAHRE FREUDENBERG SONDERBEILAGE DER WEINHEIMER NACHRICHTEN UND ODENWÄLDER ZEITUNG VOM 24. FEBRUAR 2024 1849 – 2024 VERGANGENHEIT GEGENWART ZUKUNFT
2 175 JAHRE FREUDENBERG Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just. BILD: STADT WEINHEIM/KREUTZER „Wir sind alle Freudenberger“ Grußwort: Oberbürgermeister Manuel Just JedenMorgengehe ichauf dem Weg in mein Büro im Rathaus ehrfürchtig an den Gemälden vorbei,diedort imFlurhängen. Es sindetlicheHerrenFreudenberg, die wegen ihrer großen Verdienste um diese Stadt zu Ehrenbürgernernannt worden sind. Immer wieder aufs Neue wird mir bewusst, wie wichtig dieFamilieunddieFirmaFreudenberg in der Geschichte der Stadt Weinheim sind. Kein anderes Unternehmen hat dieseStadt so geprägt.Es ist genaugenommeneinegemeinsame Geschichte, deren Ursprünge uns schon verbinden. So wie die Gerberzunft die Keimzelle des Unternehmens ist, so hat sie auchdie Entwicklung der Stadt Weinheim geprägt. Das historischeGerberbachviertel erinnert uns heute eindrucksvoll an diese Gründerzeit. Insofernist es keine Frage, dass dieses Unternehmenund ihr Standort historisch, wirtschaftlich und emotional auf das Engste verbunden sind. Es gibt da herrliche Geschichten (wohl auch Legenden) über Menschen, die über die Odenwaldhängemarschiert sind, um die Lederschuhe aus der Freudenberg-Fabrikzu testen. Das sind Erzählungen,die über Generationen von Weinheimern überliefert sind. Früh war die Firmengeschichte von bahnbrechenden Erfindungen geprägt, die auch den Namen Weinheims in der Welt bekannt gemacht hat: Ob der Simmeringfür die Automobilindustrie,der berühmteVileda-Wischmop, der Nora-Noppenbodenundanderes– „created und made in Weinheim“! Mit Fug und Recht kann ich behaupten: Weinheim ist stolz aufdieseFirma,diemittlerweile zum „Global Player“ geworden ist, zum weltweit expandierenden Technologiekonzern, der seine Wurzeln am Gründungsstandort nach wie vor schätzt. Auch in den jüngsten JahrzehntenhatdieFirmenentwicklung die Stadtentwicklungund das Stadtbild maßgeblich beeinflusst, denn wichtige IndustriegebietekonntenimZugeder Konversion in hochwertige Wohngebiete umgewandelt werden. Die Freudenberg-Geschichte bleibt dabei präsent. Bis heute gibt es enge und wichtige Verbindungen zwischendemKonzernundseinem Standort,invielfacherHinsicht. Die Freudenberg Stiftung beispielsweise trägt ganz wesentlich zum hervorragenden Ruf Weinheims als Bildungshochburg bei, der Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof ist einweltweitrenommiertestouristisches und botanisches Highlight. Und grundsätzlichträgt das Unternehmenmit seiner weltweitenAusrichtungundderZusammenführung von Menschen unterschiedlicherKulturenundNationenwesentlichzu einer Stadtgesellschaftder Vielfalt und Toleranz bei. Für all das danke ich sehr herzlich der Unternehmensleitung, den Gesellschaftern, sowie jeder Mitarbeiterinund jedem Mitarbeiter. Für die Zukunft wünsche ich dem Unternehmen alles erdenklichGute, den Entscheidungsträgerneine glücklicheHandsowieeineMitarbeiterschaftmit viel Innovationsbereitschaft und hoher Identifikation mit dem Unternehmen.Wir sindalleFreudenberger! onsunternehmen zum Technologiekonzernmiterlebtundmitgestaltet (Bilder: Freudenberg). Zukunft Mitarbeiter mit Brennstoffzellenkomponenten bei Freudenberg e-Power Systems in München (Bild: Profilwerkstatt). mengründer Carl Johann Freudenberg mit Ehefrau Sophie undihrensechsKindernEmilie, Hermann Ernst, Elise, Auguste, Wilhelm und Friedrich Carl. Gegenwart Familie Krastel aus Weinheim hat den Wandel vom TraditiBilder auf der Titelseite Diese Beilage befasst sich mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Freudenberg. Vergangenheit Das handkolorierte Foto aus dem Jahr 1857 zeigt den Fir- „Erfolgreich durch Wandel“ Grußwort: Dr. Mohsen Sohi, Vorstandsvorsitzender von Freudenberg Als Carl Johann Freudenberg dasUnternehmenam9. Februar1849gründete,ahnteernicht, dasses sichindennächsten175 JahrentrotzKrisen,Kriegenund wirtschaftlichen Herausforderungen zu einem globalen Technologiekonzernmit 52 000 Mitarbeitendenin rund60 Ländern und einem Umsatz von knapp 12 Milliarden Euro entwickeln würde. Heute ist die Freudenberg-Gruppe in rund 40 Marktsegmentenaktiv. Ihre Produkte, Lösungen und Services sorgen beispielsweisedafür,dassdieLuft inRäumenreinerwird,dassAutosfahrenkönnenundWundenschnellerheilen. 175 Jahre sind ein besonderes Firmenjubiläum,ein Anlass für Rückblick und Reflexion, aber auchAnlass,umnachvorne zu blicken. Eine Mischung ausWandelbarkeitund Tradition, gepaart mit Innovationskraft,machtFreudenbergso erfolgreich. Die vergangenen175 Jahre umfassen eine über drei JahrhundertegespannteIndustriegeschichte, die angetrieben wird von Werten und verantwortungsvollemHandeln. Das Unternehmenbefindet sich bis heute in Familienbesitz von rund 370 Gesellschafterinnen und Gesellschaftern. Innovationen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Unternehmens – von der Chromgerbungüber den Simmerringbis hin zu anspruchsvollenund hochtechnischen dichtungs- und schwingungstechnischen Lösungen, Batterie und Brennstoffzelle, technischen Textilien, Filtern, modernsten Reinigungsprodukten,chemischenSpezialitäten und medizintechnischen Produkten. Hohe Qualität, Verlässlichkeit, die Partnerschaftmit den KundinnenundKundenundfinanzielle Solidität gehören zu denGrundpfeilernder 175-jährigen Unternehmensgeschichte. Auchdie internationaleAusrichtung der FreudenbergGruppe ist ein weitererErfolgsfaktor. Bereits 1849 unterhielt sieGeschäftsbeziehungenindie Vereinigten Staaten, nach FrankreichundGroßbritannien sowie in die Türkei. Heute ist FreudenbergalsglobalesUnternehmen in rund 60 Ländern vertreten und global tätig. Die Unternehmensgruppe ist seit ihrer Gründung erfolgreich durch Wandel. Carl Johann Freudenberg formulierte in seinen Geschäftsprinzipien die Offenheit für Veränderung als wesentlichenFaktor für erfolgreiches unternehmerisches Handeln. So bietet das Unternehmen seinen Kunden schon heuteLösungenundAntworten auf die Fragenvonmorgenund gestaltetzumBeispieldie Energiewendedurch Schlüsselkomponenten für Brennstoffzellen und Elektrolyseure,die für die Herstellung von grünem Wasserstoff benötigt werden, mit. Täglicharbeitenrund52 000 Mitarbeitendeausrund150Nationen daran, dass die Erfolgsgeschichte von Freudenberg eineGeschichteder Innovation bleibt – gemeinsam,in internationalen Projekten und in Teams, die sich durch Vielfalt auszeichnen. Ausgestattet mit langfristigem Weitblick gestalten sie die Zukunft nachhaltig: durch effiziente, zunehmend digitalisierteProzesse, ressourcenschonende Produkte und ausgeklügelte Serviceleistungen. DennOffenheit für Veränderungundunternehmerischer Weitblick gehören seit der Gründung durch Carl Johann Freudenberg im Jahr 1849 zur DNA der Unternehmensgruppe. KommenSie in dieser Beilagemit auf eineReise in die Vergangenheit,GegenwartundZukunftder Freudenberg-Gruppe! Viel Spaß beim Lesen! Dr. Mohsen Sohi, Vorstandsvorsitzender (CEO) der Firma Freudenberg.
3 175 JAHRE FREUDENBERG zu 175 Jahren INNOVATING TOG R. ETHE Wir gratulieren „Lange Tradition und große Innovationskraft“ Glückwunsch: Bundeskanzler Olaf Scholz gratuliert Freudenberg-Gruppe zum Jubiläum Im November 2023 besuchte BundeskanzlerOlaf Scholz die Firma Freudenberg in Weinheim.Dabeiinteressierteer sich vor allem für die Zukunftstechnologien– wie zumNeispieldie Brennstoffzelle –, an denen in Weinheim geforscht wird. Er suchte bei der Stippvisiteauch das Gespräch mit dem Vorentschlossen reagiert hat. All das brauchen wir in unserem Land, das vor enormen Veränderungen steht. Herzlichen Glückwunsch!“ in Deutschlandmit sehr langer Traditionund einer großen Innovationskraft. Ein Unternehmen,das sichimmerweiterentwickeltundauf Veränderungen stand, mit Mitarbeitern und Auszubildenden.Zum 175-jährigenJubiläumschickteer diese Glückwünsche: „Freudenberg isteinerderHiddenChampions Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte im November 2023 die Firma Freudenberg in Weinheim. Dabei kam er auch ins Gespräch mit Mitarbeitern und Auszubildenden.
4 175 JAHRE FREUDENBERG Von Dr. Michael Horchler und Julia Schneider ■ 1849: Inmitten der Wirren der BadischenRevolutiongründen Carl Johann Freudenberg (1819-1898) und sein Partner Heinrich Christian Heintze (1800-1862)am9. Februar1849 die Firma Heintze & Freudenberg als Gerberei mit 50 Mitarbeitern in Weinheim. Die beiden Unternehmer stellen qualitativhochwertigeKalblederher. Seit den Anfängen floriert ein regerinternationalerHandel,so zum Beispiel der Export in die USA, nach Großbritannien, Frankreich und in die Türkei. ■ 1850: Bereits ein Jahr nach der Gründung entwickelt Freudenberg die erste Innovation: Mit der Einführung der Lacklederproduktion blüht das Unternehmenauf. Es entwickeltsich in den folgenden Jahren zur größten Gerberei Deutschlands. ■ 1874: Carl Johann FreudenbergwirdalleinigerEigentümer des Unternehmens, das er umbenennenlässt in: Carl Freudenberg. ■ 1887: Carl Johann Freudenberg beteiligt seine beiden Söhne, Friedrich Carl und Hermann Ernst Freudenberg, am Unternehmen. Er leitet damit denGenerationswechselein.Zu diesemAnlassschreibter seine Geschäftsprinzipien als Grundsätze für erfolgreiches unternehmerisches Handeln nieder. Diese Prinzipien bilden bis heute die Basis der Geschäftsgrundsätze von Freudenberg. ■ 1904: Zwischen 1900 und 1904entwickeltHermannErnst Freudenberg in eigenen Versuchen das bereits in den USA praktizierteChromgerbeverfahren. Damit ist Freudenberg einerder erstenLederhersteller in Europa, der qualitativ hochwertigeschromgegerbtesKalbleder herstellen kann. Mit der Einführung der innovativen Chromgerbungentwickeltsich Freudenberg zu einem der größten Lederhersteller Europas. ■ 1914-1918: Zum Zeitpunkt desAusbruchsdesErstenWeltkrieges beschäftigt das Unternehmen mehr als 2500 Mitarbeiter. Aufgrund der kriegsbedingten,starkrückläufigenAuftragslage und der Einberufungen zumMilitärdienstsinkt die Zahl der Mitarbeiter deutlich. DieFrauenübernehmenbis zur Rückkehr der einberufenen Männer teilweisederenArbeit. Nach dem Krieg werden die weltweiten Handelsbeziehungenwiederauf-undausgebaut. Diesereichenmittlerweileauch nach Südamerika, Asien und Australien. 175 Jahre im Zeitraffer Von Jan Paulin Carl JohannFreudenberg– mit ihm beginnt die Erfolgsgeschichte des Technologiekonzerns.Vor 175 Jahren,am9. Februar 1849, gründete er mit einemPartner eine kleine LederfabrikinWeinheim.Esfolgteein einzigartigerAufstieg zu einem globalen Unternehmen, der bestensdokumentiertist, unter anderem in einem modernen Archiv. Doch was verraten uns die historischen Dokumente über die Persönlichkeit des Gründers, über den Menschen Carl Johann? Wie prägen sein Denken und Handeln noch heute die Unternehmenswerte vonFreudenberg?DieDetektive desFreudenberg-Archivsgehen auf Spurensuche. „StellenSie sich einen Startup-Gründer vor, der gerade zum dritten Mal Vater geworden ist und sichmittenin einer Revolutionmithilfe des Geldes seiner Frau Sophie einen kleinen insolventen Lederbetrieb kauft“, sagt Unternehmensarchivarin Julia Schneider. Diese erste, zugegeben vereinfachte Annäherungan die PersonCarl Johannzeigt:Selbstbewusstsein hat ihm vermutlich nicht gefehlt. Freudenberg hatte das Glück, die richtigen Zutaten miteinander zu verbinden, um vom Lehrling schrittweisezum Mit- und später zum Alleineigentümer seines Unternehmenszuwerden.Waswarendie Zutaten?Was ließ ihn, den damals30-jährigenFamilienvater, in einer solchen Phase voller Ungewissheiten an den Erfolg glauben? „Dazu gehören die passenden Charaktereigenschaften, aber auch die richtigenBegleiter,beruflichundprivat“, sagt Schneider. Mit 14 Jahren in die Lehre Alles beginntmit einemfrühen Schicksalsschlag. Carl Johann ist erst neunJahrealt, als er seinenVaterverliert,deres schwer hatteimLeben.GeorgWilhelm, derVater,betreibtdasGasthaus „Zum Löwen“ in Hachenburg zwischen Köln und Frankfurt. Doch in der frühindustriellen Armutskrise läuft es schlecht. Anfang 1829 muss der Wirt das Gasthaus schließen und einen radikalen Berufswechsel vollziehen. Ihm wird die Zollerhebungsstelle in Weilburg an der Lahn übertragen, wo er wenig später am 9. März 1829 stirbt. Als Einziger bei ihm: sein Sohn CarlJohann,denerausHachenburg mitgenommen hat. Dieserkann jetzt nichtmehr einfachnurKindsein.DieFamilie trauertundkämpftumdiefinanzielleExistenz.CarlJohanns Mutterziehtmitihmundseinen fünf Geschwistern nach Neuwied,woVerwandtedasÜberlebensichern.Mit14Jahrenmuss Carl Johannauf eigenenBeinen stehen und beginnt eine Lehre in der Lederhandlung seines Onkels im 200 Kilometer entferntenMannheim– für die damaligeZeit einegroßeReisedistanz.„DieNotderFamiliehatsicher etwas in Carl Johann ausgelöst - bestimmt auch den Drang, mehr aus sich zu machen“, sagt Schneider. (Fortsetzung Seite 6) Ein früher Schicksalsschlag DemGründerauf der Spur: Die Kindheit von Carl Johann Freudenberg Der Firmengründer Carl Johann Freudenberg, um 1870. Zu diesem Zeitpunkt war er über 50 Jahre alt. ALLE BILDER: FREUDENBERG
& CBRE gratuliert Freudenberg zum 175. Jubiläum „Eine Erfolgsgeschichte mit CBRE als verlässlichem Partner“ Unternehmensjubiläen sind immer ein Grund zur Freude und zum Feiern. In diesem Jahr kann die renommierte Firma Freudenberg auf stolze 175 Jahre erfolgreiche Geschäftstätigkeit zurückblicken. CBRE gratuliert zu diesem besonderen Ereignis! CBRE GWS Industrial Services GmbH, ein technischer Dienstleister mit Rundum-Service in den Bereichen Gebäude- und Produktionsinstandhaltung sowie Wartungen und Prüfungen, hat Freudenberg über viele Jahre hinweg unterstützt und begleitet. CBRE hat dabei geholfen, passende Lösungen zu finden und Bereiche bei Freudenberg auszubauen. Die langjährige Partnerschaft zwischen Freudenberg und CBRE basiert auf Vertrauen, Professionalität und gegenseitiger Unterstützung. Ein Teil der Erfolgsgeschichte von Freudenberg zu sein macht CBRE stolz. CBRE freut sich auf viele weitere Jahre erfolgreicher Zusammenarbeit und gemeinsame Projekte. Wir gehören zu den rund 5% der beliebtesten Unternehmen auf 2024 CBRE/Karriere www.kununu.com/de/cbre-gws-ifm-industrie
6 175 JAHRE FREUDENBERG 175 Jahre im Zeitraffer ■ 1929: Die Weltwirtschaftskrise bringt die gesamte Lederwirtschaft in Deutschland an den Rand ihrer Existenzfähigkeit. Um die Arbeitsplätze der inzwischen mehr als 3500 Mitarbeiter zu sichern, wird ein Kurzarbeitsmodell eingeführt. Aufgrund derwirtschaftlichschwierigen Situationleitendie Geschäftsführer mit neuen Produkten dieDiversifizierungdesUnternehmensein.DerersteSchritt ist 1929 die Herstellung von Manschettendichtungen aus Leder für die Automobilindustrie. ■ 1932: Mit dem revolutionären Simmering, einem Radialwellendichtring zur Abdichtung drehender Wellen, beginntdieÄraderDichtungstechnik bei Freudenberg. Der Simmering, dessen Produktname auf den FreudenbergEntwickler Walther Simmer zurückgeht, ersetzt die bis dahin verwendeten Filzabdichtungen. ■ 1933: Freudenberg steigt mit der Übernahme des in jüdischenBesitzbefindlichen Schuhproduzenten Conrad TackinBurgbeiMagdeburgin dasGeschäftmitSchuhenein. Zwischen1933und 1936übernimmt Freudenberg zudem die KinderschuhfabrikGustav Hoffmann in Kleve mit der Marke elefanten. Zwischen 1937 und 1938 erfolgen verschiedene „Arisierungen“ jüdischer Unternehmen der Leder- und Schuhbranche. HierzuzählteauchdasRossledergeschäftderbefreundeten jüdischen Firma Sigmund Hirsch in Weinheim. Eine starke Frau an seiner Seite (Fortsetzung von Seite 4) Carl JohannFreudenbergist alleinaufsichgestellt.Docherfindet schnell zu sich und seinen Stärken.Er lebt als LehrlingseinesOnkelsJohannBaptistSammetunddessenTeilhaberHeinrichChristianHeintzeinMannheim – verglichen mit seinem Heimatort eine pulsierende Großstadt.„IndieserZeitmerkt er, welch positive Auswirkungen sein eigenes Handeln und seine Fähigkeiten auf sein Lebenhaben.Er gewinntdadurch Selbstvertrauen, das ihm hilft, seinZielweiterzu verfolgen,etwas aus sich zu machen“, sagt die Archivarin. Sein Fleiß und sein Ehrgeiz treibenihn dabei an. Der junge Mann bedient nicht nur die Kunden hinter der Theke des Handelshausesund liefert Warenaus, sonderner betreibtmit seinemVerdienstausderLederhandlung auch noch einen Zigarrenhandel und vermehrt so sein Geld. Er, der keine weiterführende Schule besucht hat, lernt Französischund Englisch, geht insNationaltheaterMannheim, bewegt sich zunehmend sicher in angesehenenund internationalen Kreisen und beweistweiter seinKönnenin der Firma des Onkels. Ergebnis: Im Jahr1844darfer seinGeldindie Firma einbringen und erwirbt 20 Prozentder Anteileals stiller Teilhaber. Der nächstewichtigeSchritt folgtimselbenJahr:CarlJohann heiratetSophieMartenstein,die ereinJahrzuvorimFrühlingbei einem Singkreis, einer sogeIn ihren LebenserinnerungenschreibtSophie:„DieÜberzeugung, einen braven, tüchtigen Schwiegersohnzu bekommen, der sich ja 5000 Gulden [umgerechnet rund 100 000 Euro] verdient hatte, bewog meinenVater,ihmseineeinzige Tochter anzuvertrauen.“ IndenfolgendenJahrenentsteht eine junge Familie. Zunächst kommen zwei Töchter zurWelt:EliseundLuise,dieallerdingsfrühstirbt.AlsderSohn Friedrich Carl 1848 in Mannheim auf die Welt kommt, tobt bereitsdieBadischeRevolution. Der Zeitgenosse Es geht um nicht weniger als Pressefreiheit, Geschworenengerichte und einen deutschen Nationalstaatmit einemfrei gewähltenParlament.Bis dato ist dasLandeinFlickenteppichaus eigenständigenTerritorien,darunter das GroßherzogtumBaden mit der Stadt Mannheim. Die Revolutionäreteilensich in zwei Lager: das liberalkonstitutionelle und das radikal-demokratische. In Mannheim herrscht Aufruhr, ein totaler Umbruchwirdverlangt,revolutionäre Volksversammlungen mit Tausenden Teilnehmern finden statt. Unzählige weitere folgen über das ganze Land. Es gibt Gefechte. „Geschäftsleute, diesichinderRegelstabilepolitische Verhältnisse wünschen, blickensorgenvollaufdieEreignisse. Das gilt auch für unseren Gründer“, sagt Schneider.Vielleicht ahnt er schon, dass ihn das Schicksal erneut prüfen möchte. (Fortsetzung Seite 7) nanntenLiedertafel,kennengelernt hat. Martenstein stammt aus einem wohlhabenden Wormser Elternhaus. Der Vater, ein Gewürzhändler, ist ein angesehenerGeschäftsmann.Er gibt sein DemGründerauf der Spur: Beruflicher Aufstieg – vom Angestellten zum stillen Teilhaber Einverständnis, dem sicher nicht nur die PrüfungvonHerz und Charakter oder gar Aussehen vorausging. Es geht um wirtschaftliche Fakten, sowohl zur persönlichen Finanzlage als auch zum beruflichen Erfolg. Sophie Freudenberg, geborene Martenstein, stammte aus einem wohl abenden Wormser Elternhaus. Das Bild entstand um das Jahr 1870. Ein Weinheim-Gemälde aus dem Jahr 1857. Links ist die Lackierfabrik von Freudenberg zu sehen, teilweise von Bäumen verdeckt.
7 175 JAHRE FREUDENBERG zierendeBetriebe.Freudenberg weiß, er und Heintze können sich nur über Qualität abheben.“ZumZweitenist ihmauch klar, dass er das Geschäft schnell internationalisieren muss, um Felle zu kaufen und Leder zu verkaufen.Nach dem Motto„Gobigor godown“bauen die beiden Beziehungen in die USA und die Schweiz,nach Großbritannien, Frankreich und in die Türkei (damalsnoch das Osmanische Reich) auf. Zu guter Letzt erkennt Freudenberg früh die Bedeutung von Innovationen,indemer einen Trend aus Frankreichaufgreift und Lackleder produzierenlässt.Damitmusser sichgegen seinen Partner Heintze durchsetzen. „Wer Lackleder macht,fährtinderKutsche,wer normalesLeder macht, geht zu Fuß“,sagterselbstdazuundbeweisterneutWeitsicht,dennauf der Weltausstellung 1851 in London wird das Produkt aus Weinheim ausgezeichnet und sichertüber viele Jahreden frühen Erfolg der Firma. (Fortsetzung auf Seite 8) nanziellen Krise befreite und dann mit seinen Tugenden erfolgreichwurde.Es wiederholte auf eine gewisse Weise etwas, das er bereits einmal meistern konnte, und diesmal ist er fest entschlossen, seine Erfahrung und seine Stärken zu seinem Vorteil zu nutzen.“ So stellen sich inmitten der Revolutiondie Weichenfür ein Weltunternehmen. Am 9. Februar1849,einemFreitag,gründendiePartnermitdemEintrag ins Handelsregisteroffiziell die Firma Heintze & Freudenberg. WenigeMonate später ist auch die Revolution niedergeschlagen. Der Firmenlenker Dann geht es schnell. Der Plan geht auf. Innerhalb der nächsten drei Jahre vervierfacht sich der Umsatz,die Zahl derMitarbeitendensteigt von50 auf 170. „Dafür sind drei Aspekte wichtig“, sagt Schneider. Zunächst ist da die Qualität. „Allein in Deutschland existieren zu dieserZeitrund10 000lederproduschreibt90Jahrespäterüberdie Zeit der Firmengründung:„Da die Liquidation die Trennung der beidenFirmeninhabernotwendig machte, konnte Vater zwischen den beiden Teilhabernwählen.SeineWahlfiel auf HerrnHeintze. So entstanddie FirmaHeintze&Freudenbergin Weinheim,welcheseit 1849 die kleineKalbleder-Gerbereiübernahm.“ Warum kauft er sich in die Lederfabrik mit Heintze und nicht in den Lederhandel mit dem Onkel ein? Für einen Unternehmer ergeben sich aus der Lederfabrikviel größereGestaltungsmöglichkeiten und Wachstumschancenals mit einer „einfachen“ Lederhandlung. „Hier zeigt sichder unternehmerischeWeitblickvonCarl Johann“, sagt UnternehmensarchivarinSchneider,undnoch etwas: „Die Überzeugung,dass er es indiesenunruhigenZeiten schaffen kann, fußt sicher darauf, dass er sich als Jugendlicher schon einmal aus einer fi- (Fortsetzung von Seite 6) Das LanderlebtpolitischeStürme, in denen auch das Bankhauszusammenbricht,überdas dieLederhandlungmithilfevon Wechselnfinanziertist. Die Firma gerät in Zahlungsschwierigkeitenundmuss 1848 aufgelöst werden. „Kommen wir zurück aufdieThemenGlückundrichtige Zutaten“, sagt Schneider. „FreudenberghatdasGlück,die KrisealsChancefür sichnutzen zukönnen,weilernuneinestarke Familie im Rücken hat, die ihm auch finanzielle Anschubhilfe geben kann.“ SeinSchwiegervater,dergroße Stücke auf Carl Johannhält, stellt seiner TochterSophiedas nötige Kapital zur Verfügung, damit sie ihren Mann bei seinem Vorhaben– er möchte einenTeilderFirmaübernehmen – unterstützenkann.Fürdiedamalige Zeit ein progressives Vorgehen,die Tochterso in das Geschäft einzubinden. Der im Revolutionsjahr geborene Sohn Friedrich Carl Erfolg auf der Weltausstellung 1851 DemGründerauf der Spur: Der Aufstieg zum Unternehmer in revolutionären Zeiten 175 Jahre im Zeitraffer ■ 1933: Die damaligen Mitglieder der Unternehmensleitung sind Befürworter der Weimarer Republik. Die StellungnahmengegenHitler,die vor allemRichardundWalter Freudenberg 1932 und 1933 abgeben,weisen sie als überzeugte Demokraten aus. In den Jahrennachder nationalsozialistischen Machtübernahme arrangieren sie sich allerdings immer stärker mit dem totalitären System. ■ 1936: Freudenberg ersetzt Leder durch Gummi als Dichtungsmaterial. So wird 1936 einDichtringaus demSynthesekautschukBunaentwickelt, der eine hohe Temperaturund Quellbeständigkeit aufweist. Der Simmerring mit Gummidichtlippe ist ein Quantensprung für die Dichtungstechnik.
8 175 JAHRE FREUDENBERG Geschäftsprinzipen gelten bis heute DemGründerauf der Spur: 1887 leitet Carl Johann Freudenberg den Generationswechsel ein Das Gelände der Gerberei im Müllheimer Tal in Weinheim, um 1880. Später wurde das Gelände „Werk Müll“ genannt. Friedrich Carl Freudenberg, der älteste Sohn des Gründers, um 1895. Der jüngste Sohn, Hermann Ernst Freudenberg, um 1879. beitenden – spielt eine große Rolle. So schreibt er: „Lieber hundertmal vertrauen auf die Gefahr hin, dassmanaucheinmal reinfällt, das ist besser, als einmal zu Unrecht misstrauen.“ Zusammengefasstheißt das: Von Schicksalsschlägen geprägt,hatsichCarlJohannFreudenberg durch Fleiß, Sparsamkeit, Strebsamkeit, Selbstvertrauen und Prinzipientreue stets „bemüht, aus jeder Lage dasBestezumachen“(Zitataus den Geschäftsprinzipien), um es mit seinen eigenen Worten auszudrücken.Gepaartmit unternehmerischerWeitsicht, der damit verbundenen Offenheit für Wandel und Innovationen und der von ihm gelebtenVertrauenskultur entwickelte er sichzueinemerfolgreichenUnternehmer,dessenErbedieUnternehmenskultur bis heute prägt. Die damals von ihm formuliertenPrinzipienbildenbis heutedie Basis der global gültigen Geschäftsgrundsätze der Freudenberg-Gruppe. nieder. Bescheidenheit, Ehrlichkeit, ein solides finanzielles Fundament und die Fähigkeit, sich den jeweiligen Veränderungenanzupassen,sindfürihn die wichtigstenGrundsätze für einerfolgreichesunternehmerischesHandeln.AuchdasMotiv des Vertrauens – nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf seine Familie, Partner, MitarDrittel als Teilhaber.Zu diesem Zeitpunkt zählt das Unternehmenbereitsmehrals 500Mitarbeitende. Aus Anlass des Generationswechsels und vor dem Hintergrund der inzwischen erreichten Größe des Unternehmens schreibt Carl Johann im Jahr 1887nunauchseineGeschäftsprinzipien mit eigener Hand (Fortsetzung von Seite 7) Wasistheutenochspürbarvom Geist dieser frühen Jahre und von den WesenszügenCarl Johann Freudenbergs?Nachdem das Unternehmen1874 in seinen alleinigenBesitzgelangt ist under die FamilieHeintze– erneut durch die finanzielleHilfe derFamilieseinerFrau– ausbezahlthat, kanner seine fürsorglicheSeitealsUnternehmerzeigen. ImselbenJahr gründeter einen Krankenversicherungsverein für seine Mitarbeitenden, aus dem sich später die Betriebskrankenkasse Freudenbergentwickelt.Später folgt ein allgemeiner Unterstützungsfondsfür inNotgerateneMitarbeitende und deren Familien. „Man erkennt die Verbindung zu seinen frühen Kindheitserlebnissen“, sagt Schneider. ZurUnterstützungholtFreudenberg seine Söhne Friedrich Carl und Hermann Ernst ins Unternehmenundmachtesdamit zu einem Familienbetrieb. 1887 beteiligter sie zu je einem Dieses Haus, genannt Carlshof, wurde 1866 für Carl Johann Freudenberg fertig gestellt. Er bewohnte es bis zu seinem Tod. Ein Blick ins Gerberviertel, um 1890. Auch wenn Freudenberg dort nie angesiedelt war: Eichenrinde, Wasser und Know-how waren wichtig. 175 Jahre im Zeitraffer ■ 1938: Als Reaktion auf die ab 1934 in Deutschland einsetzende Lederverknappung entwickelt Freudenberg das Syntheselatex-Kunstleder Viledonals Ersatzmaterialfür Taschen und Koffer. Das Trägermaterial des Kunstleders ist ein Vliesstoff, mit dessen Entwicklung Freudenberg bereits 1936 begonnenhatte. Der SynthesekautschukBuna wird auch für nora-Schuhsohlen eingesetzt, die ab 1938 in die Großfertigung gehen. ■ 1939-1945: Durch die vor demZweitenWeltkriegeingeleitete Diversifizierung kann diekrisenbedingteschwierige Rohstoffsituationbesserkompensiertwerdenals imErsten Weltkrieg, da das Unternehmen nicht mehr ausschließlich imLedergeschäfttätig ist. ■ Freudenbergwird im Krieg auchzueinemZulieferbetrieb der Rüstungsindustrie . Die wichtigsten Produkte sind Dichtungen für verschiedene militärische Anwendungen, insbesondere für Fahrzeuge, Schuhe und Kunstlederprodukte für die Wehrmacht. ■ Vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Mangelwirtschaft suchen die NS-Behörden nach Möglichkeiten, um Materialeigenschaften von Schuhkomponenten zu verbessern. Das„Reichsamt für Wirtschaftsausbau“ richtet dafür 1940 eine „Schuhprüfstrecke“ im KZ Sachsenhausen ein, die bis 1945 von der SS als Strafkommandobetrieben wird. Getestet wird dort das Material von mindestens 79 Unternehmen – Freudenberg ist eines davon. ■ Durchdenkriegsbedingten Arbeitskräftemangel beschäftigt Freudenberg zwischen 1940 und 1945 auch Zwangsarbeiter.
9 175 JAHRE FREUDENBERG der Umsatzanteil zwei Prozent und sank schließlich bis 2001 auf 0,6 Prozent. In der Zeit von 1969 bis 1986 macht die Ledersparte von Freudenberg insgesamt einen Verlust von 131 Millionen DMark. Ganz extrem war es im Jahr1973:DabeliefsichderVerlustderLedersparteauf rund33 Millionen D-Mark, bei einem Konzerngewinn von rund 51 Millionen D-Mark. Ausreinbetriebswirtschaftlicher Sicht also eine eindeutige Sache:EinfrühererAusstiegaus dem Ledergeschäft wäre eine vernünftige Entscheidung gewesen. Das bestätigteauch eine unternehmensinterne Untersuchung im Jahr 1986 zu Rentabilität des Lederbereiches.Demnach sei eine „Weiterführung unter wirtschaftlichen Aspekten“ nicht mehr möglich. Trotzdem hat es noch bis 2002gedauert,bisdieÄraLeder bei Freudenbergnach 153 Jahren zu Ende ging. (Fortsetzung Seite 10) Von Andreas Baldauf Einst eine Gerberei in Weinheim, heute ein globaler Technologiekonzernmit breiterProduktpalette. Freudenberg hat sich oft verändert. Das heißt: sich immer wieder anpassen, neu aufstellen, den Wandel als Chance verstehen. Hört sich also so an, als walte bei Freudenbergvor allemdieVernunft. Immer? Nein, nicht immer. Schließlichwird ein Unternehmen von Menschen geführt. Und die agierenzuweilenauch anders: weniger rational, mehr emotional.Auchdeshalbwar es für FreudenbergeinhartesRingen um das Ursprungsgeschäft Leder - von den späten1960erJahren bis zum Ende im Jahr 2002. Ein Erklärungsversuch. Schrumpfender Umsatzanteil Beginnen wir mit ein paar Faken: Der Anteil von Leder am Freudenberg-Umsatz hat im LaufederZeitmassivabgenommen: Lag der Anteil 1968 noch bei 20Prozent,sowarenes 1973 noch 10,6 Prozent, 1980 betrug Blick in die Gerberei von Freudenberg, 1958. Zu sehen ist der Transport des Leders. Der lange und teure Weg aus dem Leder Gerberei: Warum sich Freudenberg mit dem Ausstieg aus Ursprungsgeschäft so schwer tat 175 Jahre im Zeitraffer ■ 1948: Mit dem Ende des ZweitenWeltkriegeswirddas Vliesstoff-Trägermaterial weiterentwickelt 1948 beginnt die Produktion von Vlieseline-Einlagestoffen für die Textilindustrieundvon Vileda-Reinigungstüchern aus Vliesstoffen. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigt das Unternehmen mehr als 5000 Mitarbeitende. Altpapier • Bauschutt Abfälle • Altholz Wir gratulieren der Unternehmensgruppe Freudenberg zum 175-jährigen Jubiläum Zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb Container 5 – 40 m3 Entsorgen statt Sorgen Wenturo Entsorgungs GmbH Lanzstr. 1 68789 St. Leon-Rot Tel.: +49 6227 53961-0 Fax +49 6227 53961-199 www.wenturo-entsorgung.de info@wenturo-entsorgung.de
10 175 JAHRE FREUDENBERG ■ DieLederfertigung bestand aus etwa 75 Produktionsschritten, dieeinzelnoptimiert wurden, um so qualitativ hochwertiges Leder herzustellen. DieserdamalsentwickelteQualitätsanspruch gehört noch heute zum Selbstverständnis von Freudenberg. ■ Ende der 1980er-Jahre konzentriertesichFreudenbergauf die Marktnische „hochwertige Leder für Luxussegmente“ und belieferte Hersteller hochwertiger Schuhe und Lederwaren in allen Kontinenten. Wenn der wirtschaftliche Erfolg auch nur von kurzer Dauer war, gab es immerhin sehr prominenteFansdes Freudenberg-Produkts. ■ So bestellte der damalige amerikanische Präsident GeorgeBushSenior beimFreudenberg-Kunden Allen EdmondsShoe Corporationim Jahr 1989drei PaarSchuheaus Freudenberg-Leder. Interessantes rund um Freudenberg und Leder WobeidasThemaspätestens ab 1986 intensivin demGremium diskutiert wurde. In jenem JahrwarsogarschoneinSchreiben an die Gesellschafter verfasst worden, das über die Schließung informieren sollte. Diese Maßnahme wurde dann aber doch nicht durchgeführt und das Schreiben daher auch nicht verschickt. Noch eindrucksvoller schildert Rudolf Scharpff, von 1979 bis1993MitgliedderUnternehmensleitungund in dieser Zeit für das Ledergeschäft zuständig, die Zerrissenheitinnerhalb der Freudenberg-Führung. Er sagtespäter:„Ichwar[…]schon unterwegs, es zu liquidieren, aber[…]dahatHermann[Freudenberg]angerufen,hat gesagt, wir machen das dann doch nicht[…]Dannhatmandasverschoben.“ UndfürHansErichFreudenberg waren die Gründe für das lange Festhalten am Ledergeschäft „das Verantwortungsbewusstsein für die Arbeitsplätze und eine Bindung an Traditionen“. Ähnlich äußerte sich Reinhart Freudenberg,von 1972 bis 1997 Mitglied der Unternehmensleitung. Ihm, einer der prägenden Persönlichkeiten der Freudenberg-Geschichte, gehörtindieserSachedas letzte Wort: „Rückblickend gesehen hätte man ein wahnsinniges Geld gespart, wenn man das sehr viel schneller zugemacht hätte, aber das war emotional nicht drin.“ wichtiger Meilenstein auf dem Weg des Unternehmens vom traditionellen Lederhersteller zum Technologieunternehmen. Schrumpfen statt schließen Zum anderen aber auch ganz und gar untypisch für den Wandlungskünstler Freudenberg:Vereinfachtgesagt,lautete die Strategiefür den defizitären Bereich Naturleder über Jahrzehnte hinweg „Schrumpfen statt Schließen“. Immer wieder wurden zwar KapazitätenangepasstundKosten gesenkt, was mit einer Verkleinerung der Sparte einherging.Zu einervollständigenBeendigung des Traditionsgeschäfts konnte sich die Unternehmensleitung, die ab 1970 auch für Nicht-Familienmitglieder geöffnet wurde, jedoch lange nicht durchringen. vestrukturelleÄnderungen.Das Naturleder bekam Konkurrenz von einer Vielzahl von Kunstlederprodukten.Wiemassivdiese Änderungen sein würden, war derFreudenberg-Geschäftsführungdurchausbewusst.Sowurde der Verdrängungswettbewerb durch SubstitutionsproduktevonHansErichFreudenberg, Mitglied der Unternehmensleitungvon 1949 bis 1976, schon1967als „disruptiverFaktor für das Ledergeschäft“ beschrieben. Spannend war nun, wie Freudenberg auf die Strukturkrise der deutschen Lederindustriereagierte.Zumeinenin– ausheutigerSicht–besterFreudenberg-Manier: Die Marktchancen wurden erkannt, und innerhalb von wenigen Jahren avancierte das Unternehmen zumgrößtenKunstlederproduzenten Europas – übrigens ein (Fortsetzung von Seite 9) Bei keinem anderen Produkt hätteessoeinlangesZögerngegeben. Aber es handelte sich schließlich nicht um irgendein Produkt, sondern um Leder, also den Ursprung,den Nukleus, aus dem alles weitere entstanden ist. WelcheimmenseRolleLeder für das Unternehmenund die Familie Freudenberg spielte, zeigt der Blick zurück: Gegründet im Jahr 1849 als Gerberbei liegtdervolleFokusjahrzehntelang rein auf der Lederherstellung. Um es flapsig auszudrücken: Leder, und sonst nichts. Über Generationenhinweg lernen die Nachkommenvon FirmengründerCarl JohannFreudenberg und späteren Unternehmenslenker das Gerberhandwerk von der Pike auf. Es gehtdarum,Lederzuverstehen. Darausergebensich eine große Nähe und emotionale Verpflichtung diesem einen Produkt gegenüber. Erst die Weltwirtschaftskrise 1929 leitetedie Diversifizierung ein, unter anderem wird der Simmerring entwickelt. Trotzdem war Freudenberg auch 1945 noch hauptsächlich eine Gerberei: Zwei Drittel des UmsatzesfielendamalsaufdieLedersparten.Bei Freudenbergdominierte also auch 100 Jahre nach der Gründung das Leder. Markt verändert sich Auf dem Ledermarkt in Deutschlandvollzogensichderweilinden1960erJahrenmassiSchließung „emotional nicht drin“ Lederfertigung: Bei keinem anderen Produkt hätten die Verantwortlichen so lange gezögert Blick in die Lederproduktion von Freudenberg, 1997. 175 Jahre im Zeitraffer ■ 1950: Freudenberg erschließt sich ein weiteres Produktfeld: Die KautschukBodenbeläge der Marke nora kommen 1950 als Weiterentwicklung der Gummi-Schuhsohlen auf den Markt. 2007 trennt sich Freudenberg von seinem Bodenbelagsgeschäft. ■ 1957: Freudenbergsteigtin die Schwingungstechnik ein undergänztsodasKnow-How aus der Dichtungstechnik:Es werdenStoßdämpfer,SchwingungsdämpferundUltrabuchsen hergestellt. Im gleichen Jahr wird mit den ersten Filtern der Produktbereich der Technischen Vliesstoffe begründet. ■ 1960: Das Jahr 1960 markiert denBeginnvon zwei prägenden Partnerschaften in Japan:MitderNipponOilSeal Industry Company in Tokyo entsteht eine enge Partnerschaft in der Dichtungstechnik. Für den Vliesstoffbereich gründet Freudenberg ein JointVenturemit japanischen Partnern, die Japan Vilene Companyin Tokyo.Zu diesem Zeitpunkt beschäftigt das Unternehmenmehrals 10 000 Menschen.
11 175 JAHRE FREUDENBERG Von der Kunst, Krisen zu überwinden Erfolgsrezept: Vorausschauendes, geduldiges und nachhaltiges Handeln wusste er einen finanzstarken Verbündetenals„finanzielleLebensader“ an seiner Seite: seinen wohlhabendenSchwiegervater. Allein mit seiner Sparsamkeit hätte der Firmengründer in den ersten Jahrendie für denGeschäftsbetriebund -ausbauerforderlichenGeldernicht aufbringen können. Zwei weitere Beispiele, wie Freudenbergin der VergangenheitseinefinanzielleLageinKrisensituationengemeinsammit treuenPartnernverbesserte:Im Jahr 1921 gründete das Unternehmen mit einer schweizerisch-französischen Gerberund Bankiersfamiliedie Finanzierungsgesellschaft Externa SA. mit Sitz in der Schweiz, an der Freudenbergmit 77,5 Prozent beteiligt war. Über sie konntenauch in Zeitender Hyperinflation 1923 in DeutschlandRohhäuteundFellezurLederherstellung international mit harter Währungeingekauft werden. Auch in der Weltwirtschaftskrise1929konntesichFreudenberg auf sein internationales Netzwerk verlassenund erhielt Überbrückungskreditevonausländischen Partnern. Solche langfristigen, guten und vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen mit Partnern in aller Welt zählen bis heute zur Firmen-DNA und zahlten sich schon damals aus. Mit langem Atem Apropos langfristig: Als Unternehmen in Familienbesitz hat sichFreudenbergvonBeginnan vorausschauendes, geduldiges, nachhaltigesHandelnüber Krisenzeiten hinweg auf die Fahnen geschrieben. Bis heute. Als das Unternehmenin der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskriseder Jahre 2008 und 2009 Ausgaben und Investitionenauf einMinimumreduzierte, sparte Freudenberg einen wesentlichenFaktor für künftige Erfolge dezidiert aus: Forschungund Entwicklung!Dazu zählte unter anderemdie viele Jahre zuvor begonneneGrundlagenarbeit für die Brennstoffzellentechnologie,die sichheute, Jahrzehntespäter,auszuzahlen beginnt. InderFinanzkrise2008/2009 setzte Freudenberg zudem auf Kurzarbeit, anstatt auf Entlassungen. „Wir sind (...) nach der Krise (...) sehr eindrucksvoll durchgestartet und das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir unsere Fachkräftenicht geVon Volker Fath und Dr. Michael Horchler In 175 Jahren hat Freudenberg KriegeundFrieden,Phasendes gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs und wirtschaftlicher Depression, Geldwertstabilität, Inflation, Währungsreformen sowie enorme Ausschläge der Wechselkurseerlebt–undüberlebt. Krisenboten dabei immer wieder die Gelegenheit, „die Probleme deutlicher zu erkennenundLösungendurchsetzen zu können, die in guten Jahren auf unüberwindlichen Widerstand gestoßen wären“, wie es dieUnternehmensleitungMitte der 1970er-Jahrein einemBrief an die Gesellschafter und Gesellschafterinnen formulierte. Oftmals ist das Unternehmen sogar gestärkt aus Krisenzeiten hervorgegangen. Krisen als Chance nutzen: Dieser oft zitierte Allgemeinplatz traf auf Freudenberg immerwiederaufsNeuezu.Wieist diesgelungen?AuswelchenZutaten setzt sich dieses „Erfolgsrezept der Krisenresilienz“ bei Freudenberg zusammen? Allgemein lässt sich in wirtschaftlichenKrisenzeitenbeobachten: Tendenziell überleben die Stärkeren. Und die, die einen langen Atem haben. Beides zeichnet Freudenberg aus. Zu den Grundsätzen der Unternehmensgruppe zählt es, nur solche Geschäfte zu betreiben, bei denenFreudenbergimrelevanten Markt Marktführer ist oder an einer guten zweiten Stelle steht – oder zumindest eine plausibleChancehat, dies zu erreichen.Aus dieser PositionderStärkeheraus,inder sich Freudenberg schon im 19. Jahrhundertalseinerder führenden Lederbetriebe Deutschlands befand,lassensichKrisenzeiten besser bewältigen. Finanzkraft Diese Stärke fußt nicht nur auf Verkaufserfolgen durch LeistungskraftundQualität.Sie beruhtauchauffinanziellerSolidität, die sich bei Freudenbergin einer hohen Eigenkapitalquote manifestiert.DiefinanzielleKrisenfestigkeit Freudenbergs basiertdarüberhinausauf starken Partnern,diedasUnternehmen bei Bedarf mit Geldmittelnunterstützt haben. AlsCarl JohannFreudenberg 1849 das Unternehmenmitten in den bürgerkriegsähnlichen Wirrender BadischenRevolution gemeinsam mit Heinrich Christian Heintze gründete, de Neuerungen. Freudenberg setzte auf Innovation,auf neue Produkte und neue Branchen. Aus Lederabfällen entstanden 1929 erste Dichtungen für AutosundMaschinen.Der1932 neuentwickelte Simmerring dichtetseitherdrehendeWellen wirkungsvoll ab. Mit seiner Werkstoffkompetenzgelang es Freudenberg, Leder als DichtungsmaterialdurchGummizu ersetzenund dadurchQualität, Leistung und Verlässlichkeit seiner Dichtungen enorm zu verbessern. Parallel entwickelte FreudenbergKunstleder,das auf einem neu entwickelten Trägermaterial hergestellt wurde: Vliesstoff.Dieser„Stoffder1000 Möglichkeiten“ erlebte seinen Durchbruchzunächstals Einlagestoff in Bekleidung, später – mit unterschiedlichen Verfahren hergestellt– als Filtermaterial und in vielenweiterentechnischenundmedizinischenAnwendungen. (Fortsetzung Seite 12) halten hätten“, blickte der damalige Sprecherder Unternehmensleitung, Dr. Peter Bettermann,JahrespäterineinemInterview zurück. Er hatte sogar im Unternehmensarchiv recherchiert, wie die „Altvorderen“ auf die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 reagiert hatten. Das InstrumentKurzarbeit zählteschonzu jenerZeit dazu. Diversifizierung Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre nahm Freudenberg – angespornt von der damaligenWeltwirtschaftskrise – eineWeichenstellungvor, die das Unternehmen bis heute prägt. Das Ledergeschäft in Deutschland, die Wurzel des Unternehmens,geriet zu jener Zeit ineinetiefeKrise.Freudenberg entschied sich angesichts dessen zu einer radikalen Abkehr von dem Grundsatz „Schusterbleib’beideinenLeisten“ und setzteauf Diversifizierung. Das neu gegründete HauptlaborwurdezurEntwicklungsschmiedefür grundlegen175 Jahre im Zeitraffer ■ 1966: Freudenberg kauft den Schmierstoffhersteller KlüberLubrication,München, und erschließt sich damit ein neues Geschäftsfeld mit chemischen Produkten. ■ 1970: Die imUnternehmen entwickelteneuartigeProduktionstechnologie für Spinnvliesstoffe ermöglicht es, Vliesstoffe für neue Anwendungsgebietezuentwickeln, wie Wundauflagen in der Medizintechnik und Erntevliesstoffe in der Landwirtschaft. Danke für jahrzehntelange Zusammenarbeit und herzliche Glückwünsche zum Jubiläum! syntax.com AsvNTAX
12 175 JAHRE FREUDENBERG Sost, der damals für das Dichtungsgeschäft Verantwortung trug und später der Unternehmensleitung angehörte. Freudenbergstelltein der Folgesein Geschäftin der Dichtungs-und Schwingungstechnik auch organisatorischneu auf – es war imZugederDiversifizierungder Produktpalettezu komplex geworden. Das neu eingeführte Lead-Center-Konzept beinhaltetedieKonzentrationundSpezialisierungeinzelnerStandorte auf einzelne Produktgruppen und eine Delegation der Geschäftsverantwortung dorthin. Diese Dezentralisierungder Geschäftsverantwortung betrieb das Unternehmen angesichts der López-Kriseund der gesamtwirtschaftlichen Flaute in der erstenHälfteder 1990erJahre auch übergreifend über alle Geschäftsbereichehinweg. Die Freudenberg-Geschäfte warenhinsichtlichihrerMärkte, Technologien und Kundenanforderungenzuverschiedengeworden, um sie weiterhin zentralzuführen.IhreVielfalterforderte verschiedene Geschäftspolitiken, Strukturen und Arbeitsweisen in den Geschäftseinheiten.Diebisherunterdem gemeinsamen Dach von Carl FreudenberggeführtenSparten wandelteFreudenbergdaher in selbstständige, kunden- und marktnahagierendeGeschäftseinheiten um. Bei derFührungsgesellschaft verbliebkonzernweitdieSteuerung, Koordinierung, Überwachung und Unterstützung der Aktivitäten. Vertrauen DieserunternehmerischeSpielraum für die Geschäftseinheiten, diese Dezentralisierung und Delegationder VerantwortungsetzteeingroßesVertrauen in deren Führungskräfte und Mitarbeitende voraus. Diesen unternehmerischen Spielraum haben Mitarbeitende immer wieder genutzt, um FreudenbergdurchundausKrisenzeitenzu führen.Stellvertretendfür vielesindWaltherSimmer, nachdemder Simmerring benannt ist, und Dr. Carl-Ludwig Nottebohm, der „Erfinder der Vliesstoffe“,solche prägenden Gestalten, denen Management sowie Gesellschafterinnen und Gesellschafter in Krisenzeiten Vertrauen geschenkt und geduldigmit langemAtem Unterstützung gewährt haben. Diese globale Kooperation, die sich unter anderen 1989 in der Zusammenlegung der deutsch-japanischen Dichtungsaktivitäten in den USA manifestiert, hat Freudenberg auch denUmgangmit der „López-Krise“inden1990er-Jahren erleichtert. Dezentralisierung JoséIgnacioLópez,Chefeinkäufer zunächst von General Motors, dann von Volkswagen, drücktederartdieEinkaufspreise, dass viele Lieferantennicht überlebten. Insbesondere das Dichtungsgeschäft von FreudenbergkonntenurbeiKostenführerschafterfolgreichweiterbetrieben werden. Dies erforderte deutliche Produktivitätssteigerungen. Dabei kamen Freudenbergin der Fertigungsorganisation die Erfahrungen von NOK mit dem als vorbildlichgeltendenKaizen-Produktionsprinzip zugute. Freudenbergmachtesichdie Kaizen-Methodenzunutze,also VerbesserungenimTeamzuerarbeiten und sofort umzusetzen. KontinuierlicheVerbesserungsprozesse, die darauf abzielen, Verschwendung zu eliminieren,Prozessezu synchronisierenundzu standardisieren sowieQualitätdurchFehlervermeidung– anstatt durch nachträgliche Korrektur – zu erzielen, zählen aber nicht erst seit dieserZeitzudengängigenManagementmethodenbei Freudenberg. „López hat die Industrie wachgerüttelt“, urteilte Jörg schäfte liegt in den Genen des Unternehmens, das schon im 19. Jahrhundert einen Großteil seiner Leder exportierte. Die Produktionsaktivitäten konzentriertensich auch nach der Diversifizierung der Geschäfteaber langeauf Deutschland. Spätestens Anfangs der 1970er-Jahremachten die Aufwertung der deutschen WährungnachdemEndederdamaligen internationalen Währungsordnung sowie die Ölpreiskrise mit Inflation und Massenarbeitslosigkeit deutlich: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss das UnternehmenseineProduktionweiterinternationalisieren und seinen KundenimSinneeiner internationalenArbeitsteilungin neue Regionen folgen. In dieser Zeit entwickelte sich Freudenberg von einem exportorientierten deutschen Unternehmen mit ausländischen Tochtergesellschaften zu einer internationalen Unternehmensgruppe. DieGrundsteinedafürwaren bereits gelegt. Bereits in den 1950er-Jahrenwurden die ersten Produktionen in den USA undinEuropaaufgebautundin Betrieb genommen.Herauszuhebenist indiesemZusammenhangdiemit vorausschauender Weitsichtschon1960 begonnene enge internationaleZusammenarbeit mit japanischen Partnern, insbesonderemit der Japan Vilene Company bei Vliesstoffen sowie der Nippon Oil SealsCorporation(NOK) im Dichtungsgeschäft. (Fortsetzung von Seite 11) Aus den Vliesstoffenwiederum entwickeltensich Vileda-Haushaltsprodukte, die bis heute rund um den Globus private und professionelleReinigungsarbeiten erleichtern. Auch Gummisohlenund Kautschukbodenbeläge der Marke nora habenihrenUrsprunginderDiversifikationder Geschäfteund der schrittweisen Abkehr vom zunehmend schwierigen und unrentablen Ledergeschäft. Diese 1929 krisenbedingt eingeleiteteProduktvielfaltund führende Präsenz in vielen Branchen und Märkten hilft Freudenbergbis heute, Krisenzeiten zu meistern. Ein Beispieldafür ist die Covid-19-Pandemie. Während BranchenwiedasAutomobilgeschäft oder der Maschinenbau massiv unter unterbrochenen Lieferketten, Rohstoffengpässen und außerordentlichen Nachfrageschwankungen litten, stieg gleichzeitigdie Nachfragenachmedizintechnischen Produkten – für die FreudenbergunteranderemDichtungstechnik und Vliesstoffe bis hin zu eigenen Schutzmasken bereitstellen konnte. Vor diesem Hintergrund strebt die Unternehmensgruppeauchheuteein ausbalanciertes Portfolio von zyklischen und antizyklischen Geschäften an. Zur Vollständigkeit gehört auch, dass Freudenberg seine Geschäfte nicht nur diversifiziert, sondernsich auch immer wieder auf seine bestehenden Stärken konzentriert und unrentableGeschäftebeendethat –amschmerzlichstenwardabei sicherlichder vollständige„AbschiedvomLeder“imJahr2002. Internationalisierung Die Corona-Krise zeigte darüber hinaus auf, dass sich auch einebreitdiversifiziertegeografischeAufstellungauszahlt.Covid-19 hielt die unterschiedlichen Weltregionen zu unterschiedlichenZeiteninAtem.Als sich Teile Chinas im strengen Lockdown befanden, florierten anderswo noch – beziehungsweise schon wieder – die Geschäfte.Freudenbergstrebt daher danach, seine Geschäfte möglichst gleichmäßig auf Nord-undSüdamerika,Europa und Asien zu verteilen.Das erhöht die Resilienz, verleiht Stabilität, macht krisenfester.Diese geografischeDiversität,diese Internationalisierung der GeVertrauen in die eigenen Mitarbeiter Erfolgsrezept: Walther Simmer und Dr. Carl-Ludwig Nottebohm als leuchtende Beispiele Walther Simmer. Dr. Carl-Ludwig Nottebohm. 175 Jahre im Zeitraffer ■ 1989: Die ersten Autoinnenraumfilter der Marke micronAir kommen 1989 auf den Markt. Heute ist Freudenberg Weltmarktführer bei Autoinnenraumfiltern. ■ 1997: DerSimmerringübernimmtZusatzfunktionen:Über eine integrierte Sensortechnologie, den Encoder, kann durch die Dichtung zum Beispiel die Drehzahl im Motor gemessen und damit das ABS-Bremssystem oder das Motormanagementgesteuert werden. ■ 2001: MitderGründungder FreudenbergFuelCellComponentsTechnologywirddasbei Freudenberg seit den 1990erJahrenaufgebauteKnow-how zur Brennstoffzellen-Technologie gebündelt, um Freudenberg-Komponenten für die Brennstoffzelle weiterzuentwickeln. Zu diesemZeitpunkt beschäftigtdasUnternehmen rund 30000 Mitarbeiter. ■ 2002: Freudenberg trennt sichvonseinemUrsprungsgeschäft Leder. Durch Geschäftsverlagerungen und Produktionsreduktionen bei großen Kunden sowie durch stark gestiegene Rohwarenpreise ist das Geschäftunrentabel geworden. ■ 2004: Freudenbergerwirbt die Burgmann Dichtungswerke mit Stammsitz in WolfratshausenbeiMünchenund erweitert damit sein Dichtungsgeschäft um einen Spezialisten für mechanische Gleitringdichtungen.
13 175 JAHRE FREUDENBERG Wir gratulieren zum Jubiläum und wünschen weiterhin gute Zusammenarbeit. Tel. 06201–12328 gruenewald-georg.de Untergasse14, Weinheim – Maler- & Tapezierarbeiten – Lackier- & Verputzarbeiten – Bodenbeschichtungen – Gerüstbau – Farbberatung anderen Standorten folgen. EineStärkederUnternehmensgruppe ist ihre Vielfalt. Menschen aus rund 150 Nationen arbeiten bei Freudenberg zusammen – in internationalen Projekten und interdisziplinären Teams. Die besten Lösungen entstehen nämlich dann, wennMitarbeitendeihreunterschiedlichen Erfahrungen, ihr Wissen und Können in die gemeinsame Arbeit einbringen. Bildung und Umweltschutz Das soziale Engagement der Freudenberg-Gruppeist vielfältig. Das Unternehmen unterstützt dort, wo Hilfe gebraucht wird, etwa mit Sofortspenden für notleidende Menschen in derUkraineundinSyrien.Oder mit einem weltweiten Programm zur Förderung von Bildung und Umweltschutz. Seit Beginndes Programmsim Jahr 2015 hat die Unternehmensgruppe insgesamt21 Millionen Euro zur Förderung von gemeinnützigenProjektenbereitgestellt und bereits rund 190 Projekte gefördert. Daneben gibtnochweitereHilfsaktionen. Ein Beispiel aus Weinheim: Jedes Jahr sammeln die Betriebsräte in der VorweihnachtszeitSpendenfür bedürftige Weinheimer Rentner. Die Summewird von der Freudenberg-Gruppe verdoppelt und ermöglicht ein kostenfreies warmes Mittagessen an allen Wochentagen sowie einen sozialenAustausch.DieAktionbesteht bereits seit 1951. nen Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Um erneuerbare Energiensystemtechnischoptimal einzubinden,hat Freudenbergkürzlicheinenerstensogenannten Microgrid installiert. Dabei handelt es sich um ein Batteriesystem,das wie ein virtuellesKraftwerkarbeitet.FreudenbergdecktdamitseineSpitzenbedarfe, stabilisiert das öffentliche Stromnetz und senkt seineStromkosten.DemMicrogridinBerlinwerdenweiterean haltigkeit hat für Freudenberg einesehrhohePriorität:Fürdas Unternehmengeht es dabeivor allem um Ressourceneffizienz bei Energie- und Materialeinsatz. Bis zum Jahr 2045 will Freudenberg seine CO2-Emissionen auf null reduzieren. Hauptsächlich durch Energieeinsparungen, Elektrifizierung, denEinkaufunddieeigeneProduktion von Grünstrom. Freudenberg bezieht seit Jahren Grünstrom aus zum Teil eigeVon Andreas Baldauf Der Freudenberg-Gruppesind nicht nur Märkte und Zahlen wichtig: Das Unternehmen übernimmt auch VerantwortungfürMenschenunddieUmwelt.Dazugehört,dassderKonzern die Energiewende vorantreibt. Außerdem fördert Freudenberg die Vielfalt innerhalb der Belegschaftundunterstützt auch außerhalbdes Unternehmens vielfach dort, wo Hilfe gebrauchtwird.DasThemaNachMehr als nur finanzieller Erfolg NachhaltigkeitundsozialesEngagement: Bis 2045 will Freudenberg CO2-neutral sein Von Dr. Michael Horchler ■ Soziale Verantwortung hat eine langeTraditionin der FamilieFreudenbergunddamitauch imUnternehmen– nachfolgend einige der Meilensteine. ■ 1874: Carl Johann Freudenberg gründet einenKrankenversicherungsverein für seine Mitarbeiter, aus dem sich die Betriebskrankenkasse (BKK) Freudenberg entwickelt. ■ 1894: Carl Johann und Sophie Freudenberg gründen einenUnterstützungsfonds für in Not gerateneMitarbeiterund deren Familien. ■ 1905: Die Firmagründeteine Ergänzungskasse für dieMitarbeiter. Zweck der Kasse ist die Ergänzung der gesetzlichen Arbeiterversicherung durch Gewährung von Kranken-, Sterbe- und Wartegeld. ■ 1948: Beginn des Engagements in der Behindertenhilfe mit Gründung einer Behindertenwerkstatt in Schloss Werneck. 1988wirdin Zusammenarbeit mit demVereinfür Gemeindediakonie und Rehabilitation eine Behindertenwerkstatt im Werk „Müll“ geschaffen. Dann erfolgt der Umzug in den Industriepark, wo bis zu 75 behinderte Frauen und Männer ihrer Arbeit nachgehen. ■ 1949: Zum 100-jährigen Firmenjubiläum stiften die Gesellschafter die Wohnbauhilfe. ■ 1958: Zu seinem70. GeburtstagstiftetHansFreudenbergdie Heiner- und Walter-Freudenberg-Stiftung zur Förderung begabterJugendlicher . Sie lief von 1960 bis 1978. ■ 1984: Einige Gesellschafter errichtenmit einemKapital von drei Millionen D-Mark die Freudenberg Stiftung. Sie fördert langfristig wirksame Strukturveränderungen, um zu mehr Inklusion, Bildung und Demokratie beizutragen. ■ 1989: Die Gesellschafter stiften mit einemKapital von zehn MillionenD-Markdie Unterstützungskasse Carl Freudenberg für in Not geratene Mitarbeiter (Krankheit, Invalidität, Alter). Bis Ende 2022werdenrund 7,7 Millionen Euro aufgewendet. ■ 1999: Zum 150-jährigen Firmenjubiläum startet das Jugend-Programm TANNER , mit dembis 2022mehrals 1300 Kinder und Enkel von Mitarbeitern weltweit an die Standorte vonFreudenbergreisenkönnen und bei Familien von Mitarbeitern zu Gast sind. ■ 1999: Nach dem schweren Erdbeben in der Türkei wird eine Spendenaktion eingerichtet. Diese erbringt durch Spenden der Mitarbeiter 40000 DMark, die von der Unternehmensleitungauf110 000D-Mark aufgestockt wird. ■ 2005: Ein Hilfsprojekt in Indien soll die Folgen des verheerendenTsunamislindern. In Nagapattinam in der Provinz Tamil Naduwird ein Schulungszentrum errichtet. ■ 2009: Freudenberg eröffnet die neue Grundschule, die bei demverheerendenErdbebenin der Sichuan-Region zerstört wurde, im chinesischen Dorf Haijin nahe der Stadt Jiangyou. ■ 2011: Nach den Naturkatastrophen in Japan werden die Mitarbeiter zu Spenden für die betroffenenKollegender japanischen NOK-Corporation aufgerufen. 219000 Euro kommen zusammen.DerBetragwirdvon Unternehmensseite verdoppelt. ■ 2015: Die weltweite Initiative e2 (educationand environment) befasst sich mit dem ZugangzuqualifizierterBildung (education)unddemSchutzder Umwelt (environment). Mit einer Summe von 18 Millionen Euro werden Hilfsprojekte weltweit unterstützt. ■ 2015: Für die Hilfsaktionfür Geflüchtete können Mitarbeiter, Gesellschafter und Pensionäre spenden. Durch eine Aufstockungseitens des Unternehmens kommen insgesamt 1,6 MillionenEurozusammen.2016 entwickeltdas FreudenbergBildungszentrum in Weinheim zusammen mit der Hans-Freudenberg-Schule ein Ein-JahresProgramm, um junge Geflüchteteauf einenAusbildungsplatz in Metallberufenvorzubereiten. Auf diesem Programm aufbauend, wurde ab 2017 ein festes Kontingent von Ausbildungsplätzen für Geflüchtete an den deutschen Freudenberg-Standorten geschaffen. ■ 2020: In der Covid-19-Pandemie stellt Freudenberg bis zumEndedesJahres2021deutlich mehr als zwei Millionen Euro für rund 130 Organisationen in 28 Ländern zur Verfügung. Damit werden beispielsweise Lebensmittelund Schutzmasken an Bedürftige verteilt. ■ 2022: Freudenberg spendet 3MillionenEuroalshumanitäre Soforthilfe für die Betroffenen des Krieges in der Ukraine. Hinzu kommen weit über 700 000 Euro an Spenden von Gesellschaftern und Mitarbeitern des Unternehmens. ■ 2023: Nach dem schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien beteiligt sich die Unternehmensgruppe mit einer Spende von 250000 Euro an der Soforthilfe. Soziale Verantwortung hat eine lange Tradition 175 Jahre im Zeitraffer ■ 2004: Zudem kauft Freudenbergden amerikanischen Trennmittelspezialisten Chem-Trend zur Ergänzung seiner chemischenSpezialitäten. Durch den Erwerb der amerikanischenFirmaJenline Industries, einem Hersteller von Silikonkautschukprodukten, erfolgtder Einstiegin die Medizintechnik. ■ 2006: Freudenberg verstärktseinEngagementinder Öl- und Gasindustriesowie in der Medizintechnik durch gezielte Zukäufe. Unter anderem erwirbt Freudenberg im gleichen Jahr Helix Medical, einenHerstellerhochwertiger und präziser Formteile und SchläuchefürMedizintechnik, Pharma und Biotech. ■ 2008: Der Einbruch der Finanzmärktein denUSA, der sich in der Folge global ausweitet, führt in der Realwirtschaft zu einer massiven Rezession. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sinddie für Freudenbergwichtigsten Abnehmerbranchen Automobil und Maschinenbau.
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