Kriminalität

Mutmaßlicher Mörder von Jutta Hoffmann gefasst

Am 29. Juni 1986 verschwindet eine 15 Jahre alte Schülerin nach einem Freibadbesuch in Lindenfels. Knapp zwei Jahre später wird ihre Leiche entdeckt. Doch erst jetzt, 37 Jahre später, gelingt den Ermittlern der entscheidende Durchbruch. Was man bisher über den mutmaßlichen Täter weiß und wie ihm die Ermittler auf die Spur kamen.

Die 15 Jahre alte Schülerin Jutta Hoffmann verschwand am 29. Juni 1986 nach einem Besuch des Freibades in Lindenfels. Knapp zwei Jahre später wurden ihre sterblichen Überreste gefunden. Das LKA Wiesbaden ist sicher: Die junge Frau wurde ermordet. Foto: LKA Wiesbaden
Die 15 Jahre alte Schülerin Jutta Hoffmann verschwand am 29. Juni 1986 nach einem Besuch des Freibades in Lindenfels. Knapp zwei Jahre später wurden ihre sterblichen Überreste gefunden. Das LKA Wiesbaden ist sicher: Die junge Frau wurde ermordet.

Sie waren schon ganz dicht dran – und die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ am vergangenen Mittwoch lieferte den Ermittlern am Ende das entscheidende Puzzleteil, um den Lindenfelser Mordfall Jutta Hoffmann aufzuklären. Ein heute 61 Jahre alter gebürtiger Bensheimer soll die 15-jährige Schülerin am 29. Juni 1986 in einem Waldstück unweit von ihrem Elternhaus in Lindenfels vergewaltigt und ermordet haben, schreiben die Staatsanwaltschaft Darmstadt, das Hessische Landeskriminalamt und das Polizeipräsidium Südhessen in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Der Vorwurf lautet: Mord.

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Wie eine LKA-Ermittlerin in der ZDF-Sendung deutlich machte, wurde Jutta Hoffmann getötet, um die Vergewaltigung zu vertuschen. Damit sei mindestens ein Mordmerkmal – die Verdeckungsabsicht – gegeben. Der Mann wurde am Donnerstag (30. März) dem Ermittlungsrichter in Darmstadt vorgeführt. Der erließ Untersuchungshaftbefehl. Der Beschuldigte schweigt zu den Tatvorwürfen.

Die Spur nach Norddeutschland

Der 61-Jährige war bereits mehrfach, unter anderem auch in den Jahren nach 1986, wegen Sexualdelikten, aber auch wegen anderen Straftaten verurteilt worden. Seit 2012 befindet er sich aufgrund eines Urteils des Landgerichts Kiel im sogenannten Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus in Norddeutschland. Dorthin wurde er nach der Verkündung des Haftbefehls zurückgebracht. „Die Unterbringung dort ist aus unserer Sicht am besten“, sagt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt, Oberstaatsanwalt Robert Hartmann, auf Anfrage.

Bereits in der Aktenzeichen-Sendung hatte die Ermittlerin den mutmaßlichen Täter sehr konkret beschrieben: Er sei gewaltbereit, ein Serientäter, blond und blauäugig, zum Tatzeitpunkt sei er Mitte 20 gewesen.

Was in der Sendung offen blieb: Wie kamen ihm die Ermittler auf die Spur? Im Zusammenhang mit den oben genannten Fällen wurde die DNA des mutmaßlichen Täters sichergestellt. Auch im Fall Jutta Hoffmann hatte man alte Spurenträger neu analysiert – und hatte einen Treffer. Doch den Ermittlern fehlte noch ein Puzzleteil, um den Verdacht zu erhärten, so Oberstaatsanwalt Robert Hartmann. Aus diesem Grund stellten die Ermittler den Fall bei „Aktenzeichen XY“ vor. Und tatsächlich meldete sich nach Ausstrahlung der Sendung ein Zeuge mit einem Hinweis, der den Durchbruch brachte.

Wie geht es jetzt weiter?

„Wir wissen aktuell auch noch nicht, wo sich der Mann im Jahr 1986 aufgehalten hat und wo er gelebt hat“, sagt Hartmann. Deshalb wird in der Region nun weiter ermittelt. Auch über die Hintergründe des Mannes weiß man offenbar noch wenig. Er sei verheiratet, doch zu anderen familiären Details oder zu seinem Beruf konnte die Staatsanwaltschaft vorerst noch keine Angaben machen. Auch ob der Beschuldige „Peter“ heißt – diesen Namen hatten die Ermittler als Hinweis bei „Aktenzeichen XY“ erhalten – ließ Hartmann aus Datenschutzgründen offen.

In Lindenfels sprach sich die spektakuläre Entwicklung am Donnerstag schnell herum. Der Fall Jutta Hoffmann bewegt die Menschen im Ort und in der gesamten Region bis heute.

Die letzten Zeugen

Am 29. Juni 1986 trifft sich die 15-jährige Schülerin mit Freunden im Freibad in Lindenfels. Es ist ein denkwürdiger Tag: Die deutsche Nationalmannschaft tritt im WM-Finale in Mexiko gegen Argentinien an. Es ist Sommer und abends lange hell. Gegen 17.30 Uhr verabschiedet sich Jutta von ihren Freunden. Sie kauft sich am Kiosk des Bades ein Eis und will zu Fuß nach Hause laufen. Dafür wählt sie den kürzesten Weg vom Freibad in den Ortskern von Lindenfels: einen Waldpfad. Dort wird das Mädchen zum letzten Mal lebend gesehen. Eine Mutter mit Kind, die ebenfalls Richtung Lindenfels unterwegs ist, berichtet davon, zwei Männern begegnet zu sein, die ihr komisch vorkamen. Sie dreht sich deshalb um und sieht weiter hinten ein junges Mädchen. Dann verliert sich Juttas Spur.

Nach dem Verschwinden von Jutta Hoffmann am 29. Juni 1986 startete die Polizei eine große Suchaktion. Foto: Archiv Bergsträßer Anzeiger
Nach dem Verschwinden von Jutta Hoffmann am 29. Juni 1986 startete die Polizei eine große Suchaktion.

Zu Hause kommt sie nie an, ihre Eltern machen sich Sorgen und melden ihre Tochter noch am selben Abend als vermisst. Später entdeckt eine weitere Zeugin einen Halbschuh und eine Badematte am Wegesrand. Beides hat Jutta gehört. Freunde, Bekannte, Feuerwehr, Polizei und viele freiwillige Helfer machen sich auf die Suche nach der Schülerin. Sie durchkämmen die Umgebung. Doch statt Jutta entdecken sie im Wald nur einen alten Mann. Er ist dehydriert und verwirrt. 1986 wird ihm von Ermittlerseite offenbar wenig Beachtung geschenkt, so zumindest die öffentliche Wahrnehmung. 37 Jahre später bezeichnet ihn die LKA-Ermittlerin bei „Aktenzeichen XY“ hingegen als „wichtigen Zeugen“. Denn der Mann spricht 1986 von einem „Mädchen im blauen Kleid“ und kann damit nur Jutta gemeint haben, die an diesem Tag ein blaues Kleid trägt. Doch die 15-Jährige bleibt verschwunden. Auch die beiden Männer, die ebenfalls auf dem Waldweg unterwegs waren und sich angeblich in einer osteuropäischen Sprache unterhalten haben, melden sich nie bei der Polizei. Knapp zwei Jahre später werden die sterblichen Überreste von Jutta Hoffmann in einem Waldstück bei Lindenfels zufällig von einem Spaziergänger entdeckt. Ihre Familie hat traurige Gewissheit: Jutta ist tot Doch das Rätsel um ihren Mörder wird erst 37 Jahre später gelöst.

„Staat zeigt, was geht“

Der Lindenfelser Bürgermeister Michael Helbig sagt am Donnerstag: „Für die Familie muss es eine riesige Erleichterung sein, zu wissen, dass man den Täter hat. Es ist wirklich gut, dass es diese Cold-Case-Einheiten gibt, die sich kümmern und alle Spuren auswerten, und dass der Staat zeigt, dass was geht.“ vmr/stn