Gesundheit

Steht die nächste schwere Coronawelle bevor?

Noch bewegen sich die absoluten Zahlen auf niedrigem Niveau, aber der Trend ist klar steigend. Mehr Fälle in einigen Arztpraxen sowie bei Patienten im Klinikum

In die Statistik fließen nur Infektionen ein, die per PCR-Test (hier in einem Labor aufbereitet) bestätigt sind. Die Dunkelziffer dürfte also hoch sein. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
In die Statistik fließen nur Infektionen ein, die per PCR-Test (hier in einem Labor aufbereitet) bestätigt sind. Die Dunkelziffer dürfte also hoch sein.

Nach dem Urlaub beginnt eine Nachricht an einen Kollegen mit der Frage: „Mein Lieber, hoffentlich alles gut bei dir?“ Er schreibt: „Geht so. Mein Sohn und meine Schwiegertochter haben Corona.“ Am nächsten Tag ist er ebenfalls erkrankt. So geht es derzeit einigen. Das bestätigt Mathias Berthold, der Pandemie-Beauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung für Mannheim.

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Neben seiner eigenen Hausarztpraxis in der Neckarstadt macht er aktuell Urlaubsvertretung für sechs andere. Schon vor einigen Wochen habe er Anzeichen für eine neue Welle gesehen, berichtet er. Auf eine entsprechende Rundmail an Kollegen hin sei die Resonanz überschaubar geblieben. „Da meinten einige noch, so wild sei das nicht.“ Doch mittlerweile habe das Infektionsgeschehen nach seinen Eindrücken eindeutig weiter zugenommen.

Das lässt sich auch in Zahlen erkennen. Welche speziell für Mannheim erheben zwar seit Ende vergangenen Jahres sowohl das Gesundheitsamt als auch das Land nicht mehr. Aber dem Robert Koch-Institut (RKI) müssen unverändert alle Corona-Fälle gemeldet werden. Offiziell sind es sehr wenige. So liegt die Sieben-Tage-Inzidenz (Infizierte pro 100 000 Einwohner) bei vier, voriges Jahr bewegten sie sich anfangs noch im hohen dreistelligen Bereich. Doch amtlich erfasst werden allein positive PCR-Tests. Und die werden heute eher selten gemacht. Wer unter Symptomen leidet, lässt sich im Regelfall einfach krankschreiben. Auch Ärzte legen meist keinen Wert auf einen zeitraubenden, aufwendigen PCR-Befund.

Sieben-Tage-Inzidenz steigt

Trotz der niedrigen absoluten Zahlen zeigt sich in den RKI-Statistiken aber ein klarer Trend: Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich im Vergleich zur Vorwoche um 35 Prozent erhöht, die Hospitalisierungsrate um 48 Prozent und Arztbesuche wegen Corona gar um 76 Prozent. Zurückgegangen sind nur die im Abwasser entdeckten Covid-Spuren (minus 15 Prozent). Letztere indes, in anderen EU-Ländern der wichtigste Maßstab, spielen in Deutschland nur eine Nebenrolle. So wird in Baden-Württemberg allein in Heidelberg, Karlsruhe und Stuttgart Abwasser auf Corona untersucht.

Das Mannheimer Gesundheitsamt ist noch für die Überwachung vulnerabler Einrichtungen zuständig, vor allem im Medizin- und Pflegebereich. Hier bewege sich das Infektionsgeschehen „seit Wochen stabil auf niedrigem Niveau“, so Stadtsprecherin Stefanie Zuehlsdorff-Hottel. Im Theresienkrankenhaus und Diako gibt es nach Auskunft des Ärztlichen Direktors Dieter Schilling nur vereinzelt Mitarbeiter mit leichten Corona-Symptomen. „Dies hat sich aber in den letzten vier Wochen nicht verstärkt.“ Insgesamt sei die Situation ruhig, in den christlichen Häusern befänden sich momentan keine wegen Covid aufgenommenen Patienten. Und bei denen, die wegen anderer Leiden da seien, habe man nur in wenigen Fällen das Virus festgestellt. Anders sieht es im Klinikum aus. Hier meldet Schillings Kollege Hans-Jürgen Hennes auf Anfrage vermehrt Corona-Patienten (die genaue aktuelle Zahl lässt er offen). Wie in anderen deutschen Krankenhäusern seien vor allem über 80-Jährige betroffen. Für diese Gruppe bestehe – wie bei Influenza – ein deutlich höheres Risiko schwerer Verläufe, „so dass intensivmedizinische Behandlungen auch aktuell im Einzelfall notwendig werden können“, so Hennes.

Hat die Urlaubszeit Auswirkungen?

Bei Menschen, die nicht zu vulnerablen Gruppen gehören, verlaufen Infektionen nach Beobachtung von Hausarzt Berthold in der Regel glimpflicher. Aber die meisten litten schon etwa eine Woche unter hohem Fieber, Husten, Hals- oder Gliederschmerzen. „Ich hatte es selbst, es war nicht angenehm“, berichtet er. In jener Zeit habe sich eine angestellte Ärztin um die Patienten gekümmert und er sich nur – ohne Kontakt zu anderen – um organisatorische Dinge gekümmert.

Berthold hat nun auch wieder FFP2-Masken zu seinen Arzthelferinnen gelegt und rät, im Zweifel eine in der Praxis aufzusetzen. Hier würde er sich auch mehr Eigenverantwortung wünschen. Schließlich habe es voriges Jahr geheißen: „Wir sind aus der Krise raus, jetzt weiß jeder, wie er mit Corona umgehen muss.“ Doch das klappe offenbar nicht sonderlich gut. Vulnerable Gruppen schützten sich zu wenig, und einige Menschen gingen mit Symptomen oft noch sehr leichtfertig ungeschützt unter die Leute. Die Urlaubszeit – in den vergangenen drei Jahren immer Infektionstreiber – dürfte den Leichtsinn verstärken.

Eine neue Variante

Auch in anderen Ländern ist Corona wieder ein Thema. Holländische Zeitungen zitierten kürzlich Susan van den Hof vom nationalen Zentrum für Infektionskrankheiten, ständig träten neue Virusvarianten auf. Die aktuellste dort heiße EG.5. Was die Lage in Deutschland angeht, halten sich auf Anfrage sowohl das Robert Koch-Institut als auch das baden-württembergischen Gesundheitsministerium bedeckt. Sie verweisen aber auf regelmäßige Auswertungen.

Der „Spiegel“ berichtete, im Herbst sollten sich Menschen mit hohem Risiko nochmal impfen lassen, mit dann den Varianten angepassten Vakzinen. Gefragt, ob dafür bereits Vorbereitungen liefen, heißt es vom Stuttgarter Ministeriumssprecher Pascal Murmann aber nur, man behalte die Lage im Blick und rüste sich entsprechend. Zudem verweist er wie RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher auf die Ständige Impfkommission. Deren letzte Empfehlung ist von Ende Mai. Danach sind drei Antigen-Impfungen (normalerweise Biontech oder Moderna) grundsätzlich ausreichend. Menschen mit erhöhtem Risiko, auch medizinisch-pflegerischem Personal, werden aber alle zwölf Monate Auffrischungen empfohlen, möglichst im Herbst.