Katastrophenschutz

Hessens Feuerwehren werben um neue Mitglieder

Um Personal und Nachwuchs für Hessens Freiwillige Feuerwehren zu stärken, wird auf vielfältigen Wegen für das Ehrenamt geworben. Mit einer ungewöhnlichen Aktion hat die Freiwillige Feuerwehr im osthessischen Bebra mehr als 100 neue Mitglieder gewonnen.

Stiefel und Helm von Mitgliedern einer Freiwilligen Feuerwehr stehen vor einem Feuerwehrhaus. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild
Stiefel und Helm von Mitgliedern einer Freiwilligen Feuerwehr stehen vor einem Feuerwehrhaus.

Kassel/Bebra (dpa/lhe) - Das Risiko hat sich gelohnt: Nach einer Wette, bei der das Stadtfest in Bebra auf dem Spiel stand, zählt die Freiwillige Feuerwehr der Kommune im Landkreis Hersfeld-Rotenburg 130 neue aktive Mitglieder. Gemeinsam mit der Stadt hatte sie gewettet, innerhalb von nur einem Jahr 100 neue aktive Feuerwehr-Mitglieder zu finden. Andernfalls wäre das Bebraer Stadtfest in diesem Jahr ins Wasser gefallen und stattdessen das Kartoffelfest im benachbarten Rotenburg an der Fulda gesponsort worden.

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Was nach einer launigen Idee klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Laut Stadtbrandinspektor Mike Heckroth ist es immer schwieriger, neue Einsatzkräfte zu mobilisieren. In der Kernstadt habe es vor der Wette bei einem Soll von 64 nur noch 46 aktive Mitglieder in den Einsatzabteilungen gegeben. Allein dort sind nun 80 neue Mitglieder hinzugekommen. 50 weitere Neuzugänge gibt es bei den Kindern und Jugendlichen.

Für Heckroth ist das allerdings kein Grund, in den Bemühungen nachzulassen: «Wenn wir jetzt nicht beginnen, in allen Bereichen um neues Personal zu werben, wird es auf lange Sicht immer schwieriger, die Einsatzbereitschaft im erforderlichen Maße zu gewährleisten.» Der schlimmste Fall der eintreten könne sei, dass die Feuerwehr zu einem Einsatz gerufen wird, aber nicht genug Kräfte da sind, um angemessen zu helfen. Eine Tendenz in diese Richtung sei aktuell leider in vielen Kommunen zu erkennen - besonders in der Tagesalarmsicherheit, sagt Heckroth.

Tagsüber könne es manchmal Probleme geben, wenn die Mitglieder bei der Arbeit, in der Uni oder Schule seien, sagt auch Norbert Fischer, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes (LFV) in Hessen. «Da helfen wir uns schon seit Langem über das Mitalarmieren von Freiwilligen Feuerwehren in Nachbarkommunen.» Insgesamt seien die Mitgliederzahlen aber konstant, im Bereich der Kinder- und Jugend-Feuerwehren zuletzt sogar steigend. «Wir haben befürchtet, dass die Corona-Pandemie für Probleme sorgen wird, aber es gab keine größeren Einbußen.»

Laut hessischem Innenministerium ist die Mitgliederzahl in den Freiwilligen Feuerwehren zwischen 2016 und 2021 leicht von 70.885 auf 69.322 zurückgegangen. Die Entwicklung sei bisher glücklicherweise nicht kritisch einzuschätzen, erklärt ein Sprecher. «Die Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehren in Hessen ist nach wie vor vollumfänglich gewährleistet.» Auch in Ausnahmefällen, wie etwa nach Unwettern oder während der Corona-Pandemie, sei schnelle und kompetente Hilfe der Bürgerinnen und Bürger problemlos möglich.

Dennoch werde die Entwicklung sehr ernst genommen und ständig beobachtet, um frühzeitig gegensteuern zu können, erläuterte der Sprecher. So habe das Land bereits vor einigen Jahren verschiedene Kampagnen ins Leben gerufen, um für die Attraktivität eines ehrenamtlichen Engagements in der Freiwilligen Feuerwehr zu werben. In die Ehrenamtsförderung fließen demnach jährlich rund 3,2 Millionen Euro. In die Aus- und Fortbildung der ehrenamtlichen Einsatzkräfte an der Landesfeuerwehrschule in Kassel investiert das Land nach eigenen Angaben mehr als 16 Millionen Euro pro Jahr.

Zudem baut Hessen die Förderung bedarfsgerechter Ausstattung hessischer Feuerwehren mit Feuerwehrhäusern und Feuerwehrfahrzeugen weiter aus. Nachdem die Garantiesumme für den Brandschutz in den vergangenen Jahren sukzessive erhöht wurde, belief sie sich im Jahr 2022 auf 43 Millionen Euro. Im laufenden Jahr steigt sie dem Ministerium zufolge auf 46 Millionen Euro, in 2024 auf 47 Millionen Euro.

Auch der Landesfeuerwehrverband bemüht sich stetig um neue Mitglieder. «Wir werben viel und intensiv, etwa vor Supermärkten, bei Festen und Ehrenamtsmessen», sagt Fischer. «Das Land unterstützt uns bei zahlreichen Kampagnen.» Eine wichtige Rolle spiele auch die Nachwuchswerbung an Schulen. Die Feuerwehr sei sehr beliebt bei Kindern. Mancherorts gebe es gar Wartelisten. «Da ist Spannung, Technik und Gemeinschaft. Die Kinder lernen spielerisch viel über den Brandschutz.»

Da der Brandschutz und die Allgemeine Hilfe kommunale Aufgaben sind, muss jede Stadt oder Gemeinde in Hessen eine Feuerwehr aufstellen und sie leistungsfähig und angemessen ausstatten. Diese Verantwortung betont auch Fischer und sieht Nachholbedarf: «Es gibt zum Teil einen Investitionsstau bei den Feuerwehren. Da wurde 20 oder 30 Jahre lang nicht in die Ausstattung investiert.» Dabei sei es unverzichtbar, eine gut ausgestattete Feuerwehr zu haben, die jederzeit und überall helfen könne. «Alles andere geht zu Lasten des Schutzes der Bürgerinnen und Bürger.»

Zudem erfüllten die Wehren wichtige Funktionen über den reinen Brandschutz hinaus. Sie leisteten Integrations- und Inklusionsarbeit und seien wichtige, manchmal gar die letzten Kulturträger im Ort. «Sie unterstützen die Kommunen nach Möglichkeit, helfen beim Aufbau von Flüchtlingsunterkünften, sichern beispielsweise den Martinsumzug ab und veranstalten Feste.»

Wie man das freiwillige Engagement trotz steigender Anforderungen im Beruf und knapper werdender Freizeit erhalten kann? «Da gibt es viele Ideen wie den kostenfreien Eintritt in Schwimmbäder oder einen Zuschuss für den Besuch des Fitnessstudios», sagt Fischer. «Das wichtigste aber sind Anerkennung, Respekt und Wertschätzung für das Ehrenamt.»